Wilhelm Trübner (Heidelberg 1851 - 1917 Karlsruhe)
Aussicht über den Starnberger See, 1911
Öl auf Leinwand, 60,5 x 73,5 cm
Signiert unten rechts W. Trübner
Provenienz:
Galerie Alexander Gebhardt, München
Privatsammlung, Süddeutschland
Literatur:
Klaus Rohrandt, Wilhelm Trübner (1851-1917): kritischer und beschreibender Katalog sämtlicher Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphik; Biographie und Studien zum Werk, Kiel, Univ., Diss., 1974, Kat. Nr. G 747, Ie, S. 596
Im Spätsommer 1911 bewohnte Wilhelm Trübner die am Rande Starnbergs gelegene Villa Goes, vormals Villa Holz (Abb. 1). Erbaut wurde sie 1864 von dem aus Bremen stammenden Hoffotografen und Portraitmaler Hermann Holz. Trübners Gastgeber Friedrich Goes bewohnte die Villa ab 1874. Seit 1918 ist das Anwesen im Besitz des Münchner Yachtclubs.[1]
Die Sommer der Jahre 1907 bis 1910 verbrachte Trübner unweit der der Villa Goes in Niederpöcking. Dort entstand 1907 das Gemälde Gartenterasse am Starnberger See (Rohrandt G 689), in dem Trübner erstmals jenen Blick über den See festhält, den er auch für unser Gemälde gewählt hat. Von Niederpöcking aus blickt man über den See in Richtung der Ortschaft Berg, so wie in unserem vier Jahre später entstandenen Gemälde. Auf dem gegenüberliegenden Ostufer ist, gegen den Horizont, die markante Silouhette der Aufkircher Wallfahrts-kirche Mariä Himmelfahrt zu erkennen.
Inspiriert von der Arbeitsweise der französischen Impressionisten übernahm Trübner in jenen Jahren in seinen Motiven das Prinzip der Serie. Rohrandt weist darauf hin, dass die Entwicklung Wiederholung und Variation einer bestimmten malerischen Form [...] im Spätwerk zu Trübners vorrangigem Arbeitsprinzip[2] wurde. Trübner erwähnte in einem Brief an Dr. Beringer im August 1917, dass er das Motiv mit dem Ausblick auf den Starnberger See mit Rosenboskett in mehreren Wiederholungen und Variationen geschaffen habe.[3]
Unser Gemälde folgt einer horizontalen Anordnung. Im Vordergrund, flächig angeordnet, durchzieht ein gegabelter Weg eine Rasenfläche. Weg, Uferstreifen, der See, das östliche Ufersaum und die Wolkenbänke bilden bildbestimmende Horizontalen. Trübners Landschaft steht in engem Zusammenhang mit Ferndinand Hodlers (1853-1918) zeitgleichen stärker abstrahierenden Landschaften, ohne deren Symbolismus zu erreichen. Auch die Wahl des durchgehenden Landschaftsausschnitts ohne seitliche Begrenzung und Staffage findet sich sowohl bei Hodler wie auch bei Trübner. Der leere Vordergrund ist bei unserem Gemälde einzig durch die Blumenrabatte in der rechten Bildhälfte akzentuiert.
Das Gemälde ist von seinen Blau- und Grüntönen geprägt. Mit breitem, expressivem Pinselstrich sind die Grünfläche und die schimmernde, blaue Wasseroberfläche, auf der sich die Wolken spiegeln, herausgearbeitet. 1917 schwärmte Beringer, das Gemälde sei eine glückliche Natur, mit schöpferischem Naturgefühl vollendet dargestellt und auf eine einfache (farbige, gegenständliche und technische) Formel gebracht.[4]
Trübners Aussichtsplatz am Starnberger See ist ein beispielhaftes Zeugnis seines Spätwerks, geprägt von expressiver Pinselschrift und einem starken Zuge der Vereinfachung und Formklarheit. Dies macht Trübner zu einem Wegbereiter der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts, obwohl er mit seinen eher konservativen Anschauungen im Widerspruch zu den kunstpädagogischen Reformbestrebungen der Zeit stand.[5]
Anselm Feuerbach war maßgeblich daran beteiligt, dass Wilhelm Trübner nicht die Goldschmiedewerkstat seines Vaters übernahm, stattdessen 1867 das Studium der Malerei an der Karksruher Akademie anfing. Bereits ein Jahr später wechselte er nach München, wo er um 1870 zum Kreis um Wilhelm Leibl stieß und die Akademie verließ. Er arbeitete kurze Zeit mit Carl Schuch, Albert Lang und Wilhelm Hinrich und anschließend mit Hans Thoma in Ateliergemeinschaft. In den darauffolgenden Jahren erfolgten Reisen nach Italien, Belgien und Holland zusammen mit Schuch. 1875 ließ er sich endgültig in München nieder. 1894 wurde er durch seine Kontakte zu Lovis Corinth, Max Slevogt und Max Liebermann Mitglied der Münchner Secession, verläßt diese jedoch bereits im Folgejahr, um Mitglied der "Freien Vereinigung München" zu werden. 1896 wurde Trübner Lehrer am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt. 1903 bis 1917 war er Professor, 1904 bis 1910 während des laufenden Schuljahres Direktor der Karlsruher Akademie.[6]
[1] Vgl. Gerhard Schober, Frühe Villen und Landhäuser am Starnberger See. Zur Erinnerung an eine Kulturlandschaft, Waakirchen-Schaftlach 1998, S. 53.
[2] Klaus Rohrandt, ‚Wilhelm Trübner und die künstlerische Avantgarde seiner Zeit’, in Jörn Bahns (Hg.), Wilhelm Trübner 1851-1917, Kat. Ausst. Heidelberg, Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg, und München, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Heidelberg 1995, S. 48.
[3] Es kann eine Einteilung in drei Motivgruppen vorgenommen werden: vgl. Rohrandt 1974, op. cit., S. 594.
- Aussichtsplatz am Starnberger See: das Blumenbeet befindet sich in der rechten Bildhälfte. Diesem Typus entspricht unser Gemälde sowie eine weitere Fassung in der Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 2359 (G 749).
- Aussichtsplatz am Starnberger See: da Blumenbeet befindet sich in der linken Bildhälfte;
- Drei Buchen am Starnberger See mit Ausblick über den Uferweg mit Blumenbeet.
[4] Josef August Beringer (Hg.), Trübner. Des Meisters Gemälde in 450 Abbildungen, Stuttgart und Berlin 1917, S. XXX.
[5] Vgl. Rohrandt 1995, op. cit., S. 49.
[6] Vgl. Rohrandt 1974, op. cit., S. 21-41.