Robert Zünd (1827 - Luzern - 1909)
Eichwald
Öl auf Leinwand, 79 x 52 cm
Signiert unten links R. Zünd
Provenienz:
Schweizer Privatbesitz (seit circa 1965)
Kein einziges Touristenstück, keine Vedute oder Knalleffekt aus dem nahem Hochgebirge darunter, sondern lauter Gegenstände, welche das ungeübte Auge, der ungebildete Geschmack draussen im Freien weder sieht noch ahnt, die aber doch dort und nicht erfunden sind [...].[1] (so charakterisiert der Schriftsteller Gottfried Keller 1881 Robert Zünds Kunst)
Robert Zünds Werk nimmt in der Landschaftskunst des 19. Jahrhunderts eine besondere Stellung ein. Er zeigt, wie Gottfried Keller sich ausdrückt, auch jene Dinge die das ungeübte Auge weder sieht noch ahnt, die aber doch da und nicht erfunden sind. Das genaue Erfassen vieler, über lange Zeit im Wald beobachteter Details, ergibt in der Zusammenschau den ‚idealen Wald’. Man könnte sagen, Zünds Eichwald stellt die Wesenhaftigkeit des Waldes dar. Er spricht auch die Gefühlswelt des zeitgenössischen Betrachters an, vom Rationalismus der Aufklärung ebenso geprägt wie von der Romantik. Der Wald als Naturerlebnis - schützender Ort und Bedrohung zugleich. Das ähnelt unserer heutigen Erlebniswelt soweit...Unserer heutigen Erlebniswelt ähnelt das so weit, dass uns die Vielschichtigkeit von Zünds Kunst immer noch spontan erfassbar ist. Gottfried Keller prägte für Zünds Eichwald Motiv den Terminus der idealen Reallandschaft oder realen Ideallandschaft[2]. Das Interesse an historischer Malerei und an Bildtraditionen fließt in Zünds Arbeit ein.
Der Künstler hat sich in mehreren Gemälden über längere Zeit mit dem Motiv Eichwald beschäftigt. Es nimmt einen besonderen Platz in seinem Oeuvre ein und die verschiedenen Fassungen zählen zu seinen bedeutendsten Schöpfungen. Das Kunsthaus Zürich besitzt eine großformatige aus dem Jahre 1882. Eine kleinere Version von 1859 befindet sich im Kunstmuseum Luzern. Auf dem Markt erscheinen Gemälde dieser Werkgruppe selten.
Der nach rechts geneigte, von Efeu bewachsene, mächtige Eichenstamm markiert die vorderste Bildebene. Daneben inmitten der reichen Vegetation steht ein Mädchen das die Größenverhältnisse verdeutlicht und das emotionale Erlebnis vertiefen soll. Zünds Vorliebe für dunkle Vordergrundprospekte und sich gleißend hell absetzende Durchsichten charakterisieren auch dieses Bild. Die Abfolge von beschatteten und besonnten Zonen staffelt den Tiefenraum und ist von einem zarten Abendhimmel hinterfangen.
Besonders eindrucksvoll sind Zünds ausgeklügelte Perspektiven. An den Spannrändern unseres Gemäldes hat er umfangreiche Markierungen, Pfeile, Bezeichnungen und Maßangaben angebracht, die sich ähnlich auch an anderen seiner Gemälde finden. Neben manchen Markierungen befinden sich im Rand der Bildfläche kleine farbbedeckte Nagellöchern. Leider steht die genaue Erforschung und damit das Verständnis von Zünds Arbeitsweise immer noch aus.[3] Sie mag aber mit der Konstruktion komplizierter Perspektiven ebenso wie mit dem Transfer eines Motivs in verschiedene Formate zu tun haben. Ähnliche Markierungen finden sich an Gemälden und Zeichnungen des berühmten dänischen Malers Christoffer Wilhelm Eckersberg (1783-1853), der an der Kopenhagener Akademie Perspektive lehrte. Von ihm haben sich nicht nur mehrere Traktate zur Perspektive erhalten sondern auch ein von ihm entwickelter Perspektivoktant.[4]
Zu unserem Eichwald gibt es eine quadrierte Vorzeichnung mit drei Studien in Bleistift (Abb. 1). Die linke Studie liegt unserem Gemälde zu Grunde, die rechte den beiden oben erwähnten Versionen in Zürich und Luzern.[5]
Nach ersten zeichnerischen und malerischen Kenntnissen im Atelier von Jakob Schwegler, siedelte Robert Zünd 1848 nach Genf und arbeitete bei den beiden führenden Landschaftern der Schweiz, François Diday (1802-1877) und Alexandre Calame (1810-1864). 1851 lernte er in München den Maler Rudolf Koller (1828-1905) kennen, mit dem ihn fortan eine enge Freundschaft verband. 1852 reiste Zünd erstmals nach Paris, wo er sich vor allem für die Meister des 17. Jahrhunderts interessierte. Nach einer Reihe weiterer Parisaufenthalte sowie Reisen nach Dresden und München ließ er sich 1863 in der Nähe von Luzern nieder.
[1] Gottfried Keller in der Neuen Züricher Zeitung am 23. März 1882 anlässlich eines Besuches in Zünds Atelier, zitiert in Peter Fischer, ‚Robert Zünd - eine kritische Würdigung’ in Susanne Neubauer (Hg.), Robert Zünd, Kat. Ausst. Luzern, Kunstmuseum Luzern, 12. Juni - 26. September 2004, Wabern-Bern 2004, S. 9. [2] Gottfried Keller charakterisierte Zünd beim Besuch in dessen Luzerner Atelier beim Anblick der großen Fassung des Eichwaldes als Vertreter der idealen Reallandschaft oder realen Ideallandschaft. [3] Erste Anstrengungen unternehmen: Susanne Neubauer und Liselotte Wechsler, ‚..wenn man es mit amore betreibt...: Technik und Komposition im Werk Robert Zünds’ in Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 62, Heft 2, 2005. [4] Erik Fischer, C.W. Eckersberg. His Mind and Times, Kopenhagen 1993, S.73-84 [5] Wahrscheinlich wurde anschließend die Zeichnung auf ein größeres Blatt oder direkt auf die Leinwand übertragen. Die 1:1 Übertragung mittels Pause war eine übliche Arbeitsweise Zünds, die die Arbeit mit Quadratrasternetzen voraussetzt. Hinweise, dass Zünd die Fotografie als Vorlage für seine Gemälde benutzt hat, ist nur einmal bezüglich einer Portraitaufnahme für Eichwaldlichtung mit Mädchen, 1903, nachgewiesen. Vgl. Robert Zünd, op. cit., S. 39.