Leopold Carl Müller (Dresden 1834 - 1892 Weidlingau bei Wien)
Dorfhäuser bei Benha-l'Asal, Ägypten, um 1875
Öl auf Holz, 16,2 × 26,4 cm
Signiert unten links L.C. Müller
Rückseitiges Etikett Aus dem künstlerischen / Nachlass von Leopold Carl Müller / Catalog No 127 / Dorfhäuser bei Benha l'Asal / 1. März (18)93
Provenienz:
Nachlass des Malers
Privatbesitz, Österreich
Literatur:
Herbert Zemen (Hg.), Leopold Carl Müller. 1834-1892. Sein künstlerischer Nachlass, Materialien samt dem Katalog der Nachlassversteigerung, Wien 2011, S. 127, Nr. 127 [als Dorfhäuser bei Benha-l'Asal, vollendete Naturstudie betitelt]
Leopold Carl Müller[1] ist der wohl bedeutendste österreichische Orientmaler. Fasziniert von dem klaren mediterranen Licht, schuf er Landschaften, Genreszenen und Porträts. Nach dem Studium an der Wiener Kunstakademie bei Karl von Blaas und Christian Ruben und ersten Reisen nach Venedig 1857 und Ungarn, war Müller auch als Zeichner bei der Satirezeitschrift Figaro in Wien tätig. In der Folge des Besuchs der Pariser Weltausstellung 1867 begann er sich, angeregt durch das Werk von Eugène Fromentin, für das orientalische Genre zu interessieren. Den Winter 1870/71 und erneut im Juni 1871 arbeitete er zusammen mit seinem Malerfreund August von Pettenkofen in einem Atelier in Venedig, das neben Kairo und Wien Müllers bevorzugter Aufenthaltsort wurde.
1873 schließlich reiste Müller das erste Mal nach Ägypten. Den Winter 1875 auf 1876 verbrachte er mit Carl Rudolf Huber, Franz Lenbach und Hans Makart in Kairo. Sie waren in Begleitung des Kunstsammlers Karl Graf Lanckorónski und des Ägyptologen Georg Ebers[2]. Die Gruppe bezog ein weiträumiges, aber ruinöses Gebäude, den Mussafir Chan, dessen malerisches Ambiente sich als Hintergrund für das aufblühende Bohemienleben wunderbar eignete und die mitgebrachten Wunschvorstellungen vom so ganz anderen Orient in Erfüllung gehen ließ. Ein Zeitungskommentar in der Heimat berichtete: Die Künstler pflegten den Mussafir Chan das Narrenhaus zu nennen, und närrisch genug ging es darin zu […]. Die photographische Maschine wurde fortwährend gebraucht.[3] Die Maler inszenierten sich selbst (Abb. 1) oder einheimische Frauen in ungewöhnlichen Posen, machten aber auch Momentaufnahmen des Alltags in Ägypten, die ihnen später als Vorlagen dienten. Hier lernte er auch den Prince of Wales kennen und den Kunsthändler Henry Wallis, über den viele seiner Orientbilder nach London gelangten. 1875 und in den Folgejahren reiste der Maler selbst nach London. Von 1873 bis 1886 reiste Müller insgesamt neun Mal in den Orient, zumeist während der Wintermonate. 1877 erfolgte die Ernennung zum Professor an Akademie der bildenden Künste in Wien, 1890-1891 wurde er deren Rektor.
Bei unserer Skizze ging es Müller um die authentische Wiedergabe arabischen Lebens, an Hand jener einfachen Häuser in Benha el-Asal dar. Auf Staffage verzichtet der Maler. Die feine Modulation der alles bestimmenden Brauntöne steht im Mittelpunkt. Ähnlich bei der etwa gleichzeitig entstandenen Ansicht Das Dorf Mâtârije[4], heute Österreichische Galerie Belvedere in Wien.
Benha el-Asal, das antike Athribis, ist der Hauptort der unterägyptischen Gouvernements al-Qalyubiyya im Nildelta. Knappe 50 Kilometer von Kairo entfernt, war die Stadt im 19. Jahrhundert ein beliebtes Exkursionsziel für Ägyptenreisende.[5] Über die bereits im Jahre 1856 gebaute Eisenbahn von Alexandria nach Kairo war es bequem zu erreichen.[6]
[1] Vgl. Mayr-Oehring, Erika (Hg.), Orientalische Reise: Malerei und Exotik im späten 19. Jahrhundert, Kat. Ausst., Wien, Museen der Stadt Wien, Wien 2003, S. 178.
[2] Er arbeitete an den Illustrationen für Georg Ebers umfangreiches Werk Ägypten in Wort und Bild.
[3] Zitiert in Carl Rudolf Huber: Orientalische Phantasien. Fotografien einer Künstlerreise nach Kairo 1875, Kat. Ausst., Wien Foto Institut Bonartes, Wien 2012.
[4] Leopold Carl Müller, Das Dorf Mâtârije, um 1875, Öl auf Leinwand, 38 x 49,5 cm, Wien, Österreichische Galerie Belvedere, Inv. Nr. 3900.
[5] Baedeker brachte 1877 einen Band über Ägypten heraus. Benha liegt auf der Reiseroute von Kairo nach Alexandrien. Karl Baedecker (Hg.), Ägypten: Handbuch für Reisende (Band 1): Unter-Aegypten bis zum Fayûm und die Sinai-Halbinsel, Leipzig 1877, S. 245-46.
[6] Vgl. Freiherr von Röll, Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1, Berlin, Wien 1912, S. 102.