Jan van Mieris

Jan van Mieris
(Leiden 1660 - 1690 Rom)

Der Raucher und der Krabbenverkäufer

Öl auf Holz, 34 x 28 cm.
Links mittig undeutlich signiert und datiert J Van / Mieris / 16..

Provenienz:
Friedrich Krupp Jr., Bonn, 1894;
Köln, J. M. Heberle (H. Lempertz’ Söhne), Die Gemälde-Galerie des Herrn Friedrich Krupp Jr., 29.-30. Oktober 1894, Lot 117 (als Frans van Mieris);
Marianne Hochuli1 (1922-2018), Houston, Texas.

Literatur:
Cornelis Hofstede de Groot, Beschreibendes und Kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen Maler des XVII Jahrhunderts, Bd. 10, Stuttgart 1928,
S. 16, Nr. 58 (als Frans van Mieris);
Otto Naumann, Frans van Mieris the Elder 1635-81, Doornspijk 1981, Bd. II, S. 131,
Nr. B11.

 

 

Das Goldene Zeitalter der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts ging einher mit raschem wirtschaftlichem Aufschwung und wissenschaftlichem Fortschritt. Das uns vorliegende, kleinformatige Gemälde wurde in Leiden gemalt, der damals zweitgrößten Stadt der Niederlande und wichtigem Zentrum für Handel, Textilherstellung, Wissenschaft und Kunst.

Auf den ersten Blick vermittelt das Gemälde den Anschein eines zeittypischen Genrebildes, das – auf genauer Beobachtung und Wiedergabe der sichtbaren Welt beruhend – eine gewöhnliche Alltagssituation beschreibt, doch verbirgt sich hinter der dargestellten Szene vielmehr ein allegorisches Narrativ. Ein wohlhabender junger Mann sitzt im Garten einer Villa, raucht eine Pfeife und genießt ein Glas Wein. Augenscheinlich sucht er in seiner Tasche nach etwas Geld, um den älteren Garnelenverkäufer zu bezahlen. Die sorgfältige Darstellung der Stoffe und Oberflächen sticht dem Betrachter sofort ins Auge und die Verwendung virtuos ausgereifter Techniken lässt keinen Zweifel an den künstlerischen Fähigkeiten des Malers. Neben seiner eindrucksvollen technischen Raffinesse, vermittelt das Gemälde jedoch auch eine verschleierte moralische Botschaft. Es ist sozusagen eine Einladung an dem zeitgenössischen Betrachter, zwischen den sonst so vertraut und realistisch dargestellten Alltagsgegenständen auf dem Tisch, eine Reihe sorgfältig platzierter Hinweise zu dechiffrieren. Die Vermittlung moralisierender Inhalte unter dem Deckmantel eines scheinbaren Realismus’, ist für die niederländische Malerei des Goldenen Zeitalters bezeichnend.

Die Figur des jungen Mannes kann als biblische Allegorie auf den Verlorenen Sohn (Altes Testament) gelesen werden. Möglicherweise in Gestalt eines müßigen Studenten, ist er im Begriff, sein gesamtes Vermögen für einen ausschweifenden, lasterhaften Lebensstil aufzuzehren. Die Garnelen, die ihm der ältere Mann zum Verkauf anbietet, sollen vermeintlich dessen Potenz befördern. Der langen Pfeife wird eine phallische Bedeutung beigemessen und auch das Weinglas, ein Römer, ist mit Unmäßigkeit verbunden.2 Anzügliche Konnotationen wie diese bedurften im 17. Jahrhundert kaum einer Interpretation durch seine niederländischen Betrachter, waren sie an die Annehmlichkeiten und Ausschweife eines wohlhabenden Lebensstiles längst gewöhnt. Derlei Implikationen trugen – entgegen oder gerade wegen der damals vorherrschenden puritanisch verankerten Moralvorstellungen – wesentlich zur Beliebtheit der Genremalerei im holländischen Goldenen Zeitalter bei.

Der Verbleib des Gemäldes war jahrzehntelang unbekannt. Aufgrund einer Schwarzweißfotografie von 1894 wurde es lange Frans van Mieris dem Älteren zugeschrieben. Eine jüngst veranlasste Reinigung der Tafel ließ jedoch die Signatur seines Sohnes Jan van Mieris sichtbar werden. Das Werk gilt seither als wichtige
Ergänzung seines verhältnismäßig kleinen Oeuvres – nur vierzig Gemälde des Künstlers sind bekannt.

Bis heute stellt es kein leichtes Unterfangen dar, Frans van Mieris‘ spätes Schaffen von den Werken seiner Söhne Jan und Willem zu unterscheiden. Beide wurden von ihrem Vater ausgebildet und verwendeten die gleichen Maltechniken. Nachdem sie die Werkstatt ihres Vaters geerbt hatten, wiederholten sie häufig dessen Kompositionen und vervollständigten seine unfertigen Gemälde.3

Dieser hatte ein reiches Repertoire an kompositorischen Handgriffen entwickelt, das sich auf dem Kunstmarkt seiner Zeit als sehr erfolgreich erwies. Auch die nachfolgende Malergeneration ließ sich davon inspirieren, insbesondere seine beiden Söhne. In Der Raucher und der Krabbenverkäufer fügt Jan van Mieris seine eigenen Kompositionsideen geschickt mit denen seines Vaters zusammen (Abb. 1).

Abb. 1 Frans van Mieris, Frau und Mann, 1678, Öl auf Holz,36 x 30 cm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. SK-C-184

Jan und Willem van Mieris sowie ihr Vater Frans gehörten zu den erfolgreichsten Vertretern der Leidener Schule der Fijnschilders (Feinmaler). Die Schule wurde für ihre akkuraten, hochentwickelten Techniken und ihren bemerkenswerten Realismus, vor allem in der Darstellung von Stoffen, hoch geschätzt. Der Auftrag von Farbe in mehreren feinen Schichten erzeugte eine emailähnliche Oberfläche. Dies war am besten auf glatten Oberflächen sichtbar, wodurch Holz- und Kupferplatten als Malgrund bevorzugt wurden. Die Technik war zeitaufwändig und teuer – was das meist verwendete kleine Format erklären könnte. Die Kabinettbilder waren in ganz Europa gefragt und bei Sammlern wie Friedrich August I. von Sachsen (1670-1733) in Dresden und Cosimo III. di Medici, Großherzog der Toskana (1642-1723), in Florenz sehr geschätzt.4

Wir möchten uns bei Otto Naumann für die Prüfung des Bildes und die Bestätigung der Zuschreibung an Jan van Mieris bedanken. Das Gemälde wird in das in Kürze erscheinende Werkverzeichnis von Jan van Mieris aufgenommen.

 

 


1 Marianne Hochuli, geborene Mariana Balazs, wurde 1922 in Budapest, Ungarn, geboren. Sie wuchs in einer Familie aus Kunstsammlern auf und entwickelte ein frühes Interesse für die Kunst. Infolge der deutschen und russischen Belagerung Budapests, floh sie 1944 mit dem Zug nach Paris. Von Frankreich aus segelte sie weiter nach England, wo sie in London mit ihrem ersten Ehemann wieder zusammentraf. Nach einiger Zeit in London und bereits geschieden, zog sie nach Berlin und arbeitete Streitkräfte – sie sprach Ungarisch, für den Radiosender Freies Europa. Ebenso arbeitete sie als Übersetzerin für die amerikanischen Deutsch, Französisch und Englisch. Nachdem sie ursprünglich in die USA auswandern wollte, verschlug es sie 1952 nach Brasilien, wo sie über 35 Jahre lang lebte und ihren zweiten Ehemann, den Schweizer Hotelkaufmann Fred Hochuli, kennenlernte. Mit Mitte vierzig wurde sie Witwe. In den 1990er Jahren zog sie schließlich in die USA, nach Houston/Texas. Vgl. <https://www.legacy.com/obituaries/HoustonChronicle/obituary.aspx?page=lifestory&pid=188605075> (7. Januar 2019).

2 Wir danken Dr. Eddy Schavemakers für seine Erläuterungen der im Bild verwendeten visuellen Metaphern.

3 Einzelheiten zur Biographie von Jan van Mieris siehe Margret van der Huts innerhalb des in Kürze erscheinenden Werkverzeichnis zu Jan van Mieris.

4 Peter Hecht, De Hollandse Fijnschilders van Gerard Dou tot Adriaen van der Werff, Kat. Ausst. Rijksmuseum Amsterdam, Amsterdam 1989, S. 13-19; E. J. Sluijter et al., Leidse Fijnschilders: Van Gerrit Dou tot Frans van Mieris de Jonge 1630-1760, Kat. Ausst., Stedelijk Museum de Lakenhal Leiden, Waanders 1988, S. 13-55.

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