Carl Gustav Carus
(Leipzig 1789 - 1869 Dresden)
Abendstimmung bei Pillnitz, um 1835
Öl auf Pappe, 13,5 x 19,3/19,6
Provenienz:
Caroline Cäcilie Carus, Tochter Carus’;
Margarete Schwerdtner, Pflegetochter der Caroline Cäcilie Carus;
Sächsischer Privatbesitz (Patentochter der Margarete Schwerdtner).
Literatur:
Prause, Marianne, Carl Gustav Carus. Leben und Werk, Berlin 1968, S. 149, Nr. 287 [Ruine in Pillnitz über den Weinbergen];
Bülck, Elisabeth, C.G. Carus, sein Leben und sein Werk im Verhältnis zu C.D. Friedrich und dessen Schülern betrachtet., Greifswald Diss. 1943 (ungedruckt)
Zu dem Gemälde liegt eine Expertise von Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden, vormals Kurator Galerie Neuer Meister, vor.
Seit Beginn der dreißiger Jahre gab die Landschaft bei Pillnitz die bevorzugten Motive für die Naturstudien Carus’. Der Künstler hatte 1832 ein Landhaus in der Nachbarschaft von Schloss Pillnitz bei Dresden erworben, das zum Ausgangspunkt seiner Wanderungen wurde. Als Leibarzt der königlichen Familie hatte er während derer Sommeraufenthalte in Pillnitz vor Ort zu sein. Dargestellt ist in der vorliegenden Arbeit der abendliche Blick von einem Standpunkt am Fuße des sogenannten Hausberges über den Beginn des Friedrichsgrundes hinweg auf den Pillnitzer Schlossberg. Von Tannen überragt, steht hier die künstliche gotische Ruine, welche Kurfürst Friedrich August III. 1785 nach den Plänen von Johann Daniel Schade errichten ließ (Abb. 1). Rechts im Hintergrund schweift der Blick weit bis hin zu den Tafelbergen der Sächsischen Schweiz. Der Standpunkt den Carus für vorliegende Skizze wählte liegt unweit seines Pillnitzer Hauses.
Carus künstlerisches Interesse an vorliegendem Motiv zielt vor allem auf eine realistische Wiedergabe der Lichtsituation von Landschaft und Himmel bei Abenddämmerung - ein Thema, mit dem er sich lebenslang auch in seinen theoretischen Abhandlungen befasste.
Stilistisch liegt die Studie zwischen den etwas detailreicheren, weniger auf die reine Farbwirkung abgestellten Studien ähnlichen Motivs, die Marianne Prause um 1830 datiert[1], und jenen im Detail eher summarischen, mehr auf die reine Farbwirkung abgestellten Studien, die von Prause nach 1835 datiert werden.[2]
Gemeinsam ist den Blättern, die auf Papier oder Karton gemalt sind, das kleine Format, welches den intimen Charakter der Malerei betont. Auch das Prinzip, „ein nahsichtig wahrgenommenes Stück Natur“[3] vor den Ausblick in die Landschaft zu legen, ist diesen Arbeiten gemein. Carus’ Studien unterscheiden sich von den ausgeführten Atelierbildern insgesamt durch einen flüssigeren Pinselduktus, eine größere Freiheit der Komposition und eine spontan anmutende Motivwahl. Prof. Neidhardt ist der Ansicht, dass es sich bei vorliegender Arbeit wohl um Nummer WV 287 in Marianne Prauses Werkverzeichnis handelt.[4]
Carl Gustav Carus ist eine der herausragenden Persönlichkeiten der Goethezeit. Der universal begabte und gebildete Arzt und Naturforscher war auch als Schriftsteller tätig und gehört zu den bedeutendsten Künstlern und Theoretikern der deutschen Romantik. Seine Briefe zur Landschaftsmalerei gelten als ein Schlüsselwerk zum Verständnis der Ästhetik deutscher Landschaftsmalerei der Romantik.[5]
Carus wurde 1789 in Leipzig als Sohn eines Färbereibesitzers geboren. 1806 begann er an der Universität Leipzig ein Medizinstudium, besuchte daneben aber auch die Akademie, an der zu jener Zeit Friedrich August Tischbein und Hans Veit Schnorr von Carolsfeld unterrichteten. 1811 promovierte er als Mediziner an der Universität Leipzig und habilitierte sich dort. Gleichzeitig beschäftigte er sich auto-didaktisch mit der Ölmalerei. 1814 wurde Carus Professor für Gynäkologie an der medizinisch-chirurgischen Akademie in Dresden. Starke Impulse und einen nachhaltigen Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen verdankte Carus Caspar David Friedrich, mit dem ihn seit 1817 eine enge Freundschaft verband, sowie Johann Christian Dahl, der seit 1818 in Dresden lebte. Ende der 1820er Jahre löste sich Carus von Friedrichs künstlerischem Einfluss und gelangte zu einer persönlicheren Ausdrucksform. Seit 1827 war Carus Leibarzt des sächsischen Königshauses. Reisen teilweise in dieser Funktion führten ihn nach Rügen, in das Riesengebirge, nach Italien, Paris, England und Schottland. 1821 lernte er in Marienbad Goethe kennen, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft und Korrespondenz verband. Er starb 1869 in Dresden.
Besonders in seinen Landschaftsskizzen erweist sich Carus künstlerisch auf der Höhe der Zeit.[6] Vermutlich angeregt von den Ölstudien Johan Christian Dahls, der mit diesem neuartigen Typus des Landschaftsbildes für die gesamte Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts in Deutschland vorbildlich geworden ist, begann Carus bereits Mitte der 1820er Jahre im Dresdner Umland Ölskizzen en plein air zu malen.
[1] Prause, op. cit. Nr. 384 und 387. [2] Prause, op. cit., Kat. Nr. 357, 358, 394; vgl. außerdem Carl Gustav Carus. Natur und Idee, Kat. Ausst., op. cit., Kat. Nr.71 (Haus Carus in Pillnitz, 1852) und Kat. Nr. 72 (Villa in Hosterwitz, 1852). [3] Spitzer, Gerd, in: Carl Gustav Carus. Natur und Idee, Kat. Ausst. Staatliche Kunstsammlungen Dresden und Staatliche Museen zu Berlin, Juni 2009 - Januar 2010, Dresden und Berlin, 2009, S. 206 [4] Siehe Gutachten Neidhardt [5] Carl Gustav Carus, Zehn Briefe und Aufsätze über Landschaftsmalerei mit zwölf Beilagen und einem Brief von Goethe als Einleitung, 1815-1835, Leipzig und Weimar 1982 [6] Marianne Prause, op. cit., S. 52 f.