Artur Volkmann (Leipzig 1851 - 1941 Geislingen)
Entwurf von Hans von Marées (Leipzig 1851 - 1941 Geisingen)
Amazone, ihr Pferd tränkend, Rom 1898
Carrara Marmor, Hintergrund Blattgold, Breite 119 cm x Höhe 99 cm x Tiefe 15 cm
Signiert, datiert und bezeichnet unten rechts A. Volkmann. / Febr. 98. Roma
Provenienz:
Privatbesitz Basel
Literatur:
Waldemar von Wasielewski, Artur Volkmann: Eine Einführung in sein Werk, München und Leipzig 1908, S. 34
Franz Josef Neckenig, Das Problem der Form- und Inhaltsreduktion im künstlerischen Schaffen und theoretischen Denken deutscher Plastiker der Marées-Nachfolge - Adolf Hildebrand und Artur Volkmann, Diss., Berlin 1982, S. 274,
Anette Niethammer, Wie auf den Tag des Abendsonnenlicht: Hans von Marées' Meisterschüler Artur Volkmann (1851-1941), Nordhausen 2006, S. 271, FN 620
Artur Volkmann studierte ab 1870 an der Leipziger Akademie und wechselte nach einem Aufenthalt in Dresden zu dem Bildhauer Albert Wolff nach Berlin. Im Anschluss erhielt er ein zweijähriges Stipendium nach Rom. Dort lernte er auch Konrad Fiedler kennen, einen der wichtigsten deutschsprachigen Kunsttheoretiker des 19. Jahrhunderts, der ihn auch als Mäzen unterstützen sollte. Durch ihn wurde er mit dem Bildhauer Adolf von Hildebrand und mit dem Maler Hans von Marées bekannt. Volkmann war von Marées fasziniert und arbeitete bis zu Marées Tod 1887[1] intensiv mit ihm zusammen. Beeinflusst von Fiedlers Überlegungen zum autonomen Kunstwerk fanden Marées und Volkmann in der klassischen Antike die Anregung zur adäquaten Umsetzung ihrer Anliegen: der Sehnsucht nach Arkadien und den Dramen menschlicher Existenz, Liebe, Konflikt und Tod. Ebenso wie Hildebrandt und Marées hatte sich Volkmann von der zeitgenössischen Salonmalerei distanziert und strebte die Idealisierung der plastischen Form nach dem Vorbild der Antike an. Ein Streben welches sich bis in die Moderne fortsetzt und im Werk Pablo Picassos und Max Beckmanns kulminiert.
Bei Volkmann führte die Zusammenarbeit mit Hans von Marées zu dem Versuch, die Gedankenwelt beider Künstler in seiner Bildhauerei Ausdruck zu verleihen. Gerne nahm er gestalterische Ratschläge Marées, die dieser oft intuitiv äußerte, in seinen Arbeiten auf.
Rom blieb auch nach Marèes Tod für mehr als 30 Jahre Volkmanns eigentliche Heimat. Erst 1910 folgte er einer Berufung als Professor an das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt. 1923 ging er von dort zusammen mit seinem Schüler Karl Fetzer nach Basel. Er hoffte auf Unterstützung durch Heinrich Wölfflin, den er in Rom kennengelernt hatte. Die letzten 15 Jahre seines Lebens beschäftigte er sich mit Kunsttheorie und schrieb an seinen Memoiren.
Hans von Marées Entwurf Amazone (Abb. 1) von 1886 sowie eine von ihm gefertigte Pferdestudie sind sicherlich als prima idea für Volkmanns Relief anzusehen.[2] Nach Marées Tod führte Volkmann die Amazone in zwei Fassungen aus: Die erste Fassung befindet sich in einer Dresdner Privatsammlung. Von der zweiten Fassung sind zwei Versionen bekannt, eine in den Staatlichen Kunstsammlungen zu Dresden[3], datiert 1896; sowie die vorliegende wesentlich detailreicher gearbeitet Version von 1898, in Rom entstanden. Leider gibt es zum jetzigen Zeitpunkt weder zu dem Auftraggeber noch zu der ursprünglichen Aufstellung Informationen. Die erste Fassung zeigt im Unterschied zur vorliegenden zweiten Fassung eine Brust des Mädchens entblößt.[4]
Die Virtuosität von Volkmanns Relief ist dem harmonischen Zusammenspiel von Entwurf und sorgfältiger Ausführung geschuldet. Der Verwendung von Goldgrund, in Anlehnung an frühmittelalterliche Mosaiken, löst die Darstellung vom Hintergrund und gibt ihr eine mystische Aura. In einem Brief an seinen Freund Fetzer vom 27. Februar 1930 beschreibt Volkmann den künstlerischen Prozess: Die Amazone beim trinkenden Pferd habe ich aus dem Pferdeleib herausgeholt und diesen nach der Mitte zu eingebogen. Sie wirkt weder flach, noch das Pferd verbogen, und das kommt hauptsächlich daher, weil der Wiederrist und Hals des Pferdes stark nach hinten abgeschrägt wurde. Auch Schulter und Vorderbein wurden zurückgedrückt hinter die weibliche Gestalt, der Pferdetorso oben und unten abgerundet. Gegen den zurückweichenden Widerrist hebt sich die Schulter des Weibes stark ab. Dadurch und durch die fast freistehenden Beine wird es rund, wird die Gruppe gelockert, und beide Gestalten erscheinen als selbstständige Wese. Hier zeigt sich die Schwäche des Wortes gegenüber der Gestaltung, man müsste wenigstens Lichtbilder dabei haben. Anschaulicher wird’s vielleicht, wenn ich darauf hinweise, dass die Körperflächen verschieden abweichen. Von rechts nach links der Roßleib, von links nach rechts der Frauenleib, so dass auf der linken Seite die Körper sich trennen, auf der rechten sich annähern. Dieser Gegensatz wirkt verdeutlichend und belebend, er verstärkt die Illusion. Durch Gegensätze, Trennung und Anlehnung.[5]
Mit Bezug auf die Antike hatten Volkmann, Max Klinger oder Franz Stuck bereits seit 1882 mit der Polychromie experimentiert. Schon Johann Joachim Winckelmann (1717-1768)[6] hatte an Marmorwerken der klassischen Antike Spuren von Polychromie entdeckt. Bis zum heutigen Tage stehen Verteidiger des traditionellen „weißen“ Antikenideals einer experimentierfreudigeren Fraktion gegenüber die sich mit der Rekonstruktion farbiger Fassungen an antiken Skulpturen befasst.[7] Max Klinger (1857-1920) realisierte die Polychromie seiner Skulpturen durch Verwendung farbigen Steins, so in einem seiner Hauptwerke der monumentalen Statue des sitzenden Beethoven (1886-1902, Leipzig, Neues Gewandhaus).
An Volkmanns Version der Amazone in den Dresdner Kunstsammlungen finden sich neben dem schlecht erhaltenen Goldgrund auch Reste von Polychromie. Im Vergleich mit unserer Version ist sie deutlich weniger detailreich gearbeitet. Im Gegensatz dazu entschied sich Volkmann bei unserer Version, die auch vor der jetzt erfolgten Reinigung abgesehen von dem Goldgrund keinerlei Spuren ehemaliger Polychromie aufwies, für mehr Detail und eine differenziertere Oberflächenbehandlung des Marmors.
[1] Volkmann gestaltete das Denkmal für Hans von Marées, das sein Freund Konrad Fiedler 1910 in Auftrag gab. [2] Hans von Marées, Entwurf für die Amazone Volkmanns, 1886, Rötel auf weißem Papier, 43 x 57,5 cm, MG II, Nr. 978.
Hans von Marées, Pferdestudie für dasselbe Relief, 1886, Rötel auf weißem Papier, 58 x 43 cm, MG II, Nr. 980.
[3] Artur Volkmann, Inventarnummer ZV 1734. [4] Stark verändert gestaltete Volkmann das Motiv später ein weiteres Mal für eine monumentale, letztlich nicht realisierte Brunnenanlage. Als Pendant dazu war das Relief Mann mit Stier angedacht. Vgl. Deutsche Kunst und Dekoration, Ausgabe 17.1905-1906, S. 93-94. [5] Zitiert in Niethammer, op. cit., S. 281. [6] Zwar waren Winckelmann die Farbspuren auf antiken Kunstwerken bekannt, allerdings bezeichnete er das Bemalen von Marmor als barbarische Sitte. Seine Anhänger vertraten noch lange diesen Standpunkt, indem sie farbige antike Skulpturen entweder als primitive Frühformen abtaten oder dem Sonderfall der etruskischen Kunst zurechnete [7] Vgl. Kerstin Schwede, Polychromie als Herausforderung. Ästhetische Debatten zur Farbigkeit von Skulpturen, in Heß, Gilbert; Agazzi, Elena; Décultot, Elisabeth (Hrsg.): Klassizistisch-romantische Kunst(t)räume. Imaginationen im Europa des 19. Jahrhunderts und ihr Beitrag zur kulturellen Identitätsfindung. Band 1: European Philhellenism / Der europäische Philhellenismus. Berlin, New York 2009, S. 61-84.