Alexandre Calame (Vevey 1810 - 1864 Menton)
Felsen am See, 1857-1861
Öl auf Papier auf Leinwand, 32,3 x 46,5 cm
Signiert unten links A. Calame f.
Unsere Ölstudie, en plein-air konzipiert, gehört zu einer Gruppe von Studien und Skizzen ähnlichen Motivs, die Alexandre Calame in den Jahren 1857-1861 fertigte. Der Künstler war fasziniert von dem Licht- und Schattenspiel, von dem konstanten Wechsel der Farben, den ihm das Studium grober, vom Sonnenlicht beschienener, Felsbrocken bot, wie die Natur sie am Fuß steiler Berge aufschichtet. Kompositorisch und motivisch vergleichbar ist unsere Ölskizze mit einer sehr ähnlichen Studie Calames, die wohl am gleichen Ort, von einem anderem Blickpunkt aus, entstanden ist. (Abb. 1)[1].
Gekonnt modelliert Calame die Lichtreflexe auf der Oberfläche der Felsen und kontrastiert sie mit den verschatteten Partien des vielfarbigen Gesteins. Die markante Felsformation am Ufer, von Moos, Flechten und Buschwerk bewachsen, ist auch im kristallklaren Wasser sichtbar. Die harten Umrisse der Felsbrocken stehen gegen die im Dunst versinkende Landschaft des Hintergrundes. Das Werk überzeugt durch die atmosphärische Wiedergabe der Stimmung eines dräuenden Gewitters.
Die Schweiz mit ihren Bergen und Seen ist Calames bevorzugte Bildwelt. Zusammen mit seinen Schülern, unter ihnen auch der Luzerner Maler Robert Zünd, unternahm er weitläufige Gebirgswanderungen, immer auf der Suche nach unberührter Natur und dem besten Blick. Erst durch altersbedingten schlechteren Gesundheitszustand wurden ihm diese Wanderungen beschwerlich und er suchte seine Motive in tieferen Regionen.
Die Ölskizzen, vom Maler nicht zum Verkauf bestimmt, dienten als Vorlage für jene großen, detailgenauen Landschaften, die in seinem Atelier entstanden. Die meisten seiner Ölskizzen fanden sich nach dem Tod des Künstlers in seinem Atelier. Erst die Versteigerung seines Nachlasses in Paris im Jahr 1865 brachte sie auf den Markt. Heutige Sammler schätzen die virtuose Malerei der in freier Natur entstandenen Ölskizzen mit der Konzentration auf eine möglichst realistische Wiedergabe der herrschenden Lichtverhältnisse – eine unverzichtbare Voraussetzung für den bestechenden Realismus der großen im Atelier gefertigten Gemälde.[2]
Im Jahr 1829 erst begann Calame seine künstlerische Ausbildung bei dem Landschaftsmaler François Diday, finanziert durch seinen früheren Arbeitgeber, den Bankier Diodati. In seiner Freizeit kolorierte er Schweizer Veduten, um sie an Touristen zu verkaufen. Seit 1835 stellte Calame seine Werke unter anderem in Genf, Berlin und Leipzig aus. Regelmäßige Ausstellungen seit 1839 folgten im Pariser Salon. Dadurch errang er große Erfolge und wurde vor allem in Frankreich und Deutschland ein gesuchter Maler. Zahlreiche Reisen führten ihn auf der Suche nach neuen Motiven nach Frankreich, Deutschland und Holland. 1844 begab er sich nach Rom und Neapel und lernte dort die einzigartigen Lichtverhältnisse Italiens kennen.
Ab den 1840er Jahren gehörte Calame in der öffentlichen Wahrnehmung zusammen mit seinem Lehrer Diday und Wolfgang-Adam Töpffer zu den bekanntesten Landschaftern der Schweiz. Heute gilt der Maler – der trotz zahlreicher Auszeichnungen nach seinem Tod 1864 fast in Vergessenheit geriet – als einer der Protagonisten der romantisch-heroischen Gebirgsmalerei der Schweiz.[3]
[1] Valentina Anker, Alexandre Calame, vie et oeuvre: catalogue raisonné de l'oeuvre peint, Fribourg 1987, Kat. Nr. 663, S. 436 mit Abbildung. [2] Vgl. Alberto de Andrés, Alpine Views. Alexandre Calame and the Swiss Landscape, Kat. Auss. Williamstown, Massachusetts, Sterling and Francine Clark Art Institue, New Haven und London 2006, S. 28. [3] Die 2011 in der National Gallery in London ausgestellte Privatsammlung von Asbjorn Lunde zeigte eine wichtige Werkgruppe Calames im Kontext wichtiger nordeuropäischer Maler und dokumentierte damit eindrucksvoll seinen hohen Stellenwert in der Landschaftsmalerei des frühen 19. Jahrhunderts. Vgl. Forests, Rocks, Torrents; Norwegian and Swiss Landscape Paintings from the Lunde Collection, Kat. Ausst., London, National Gallery, London 2011.