Wilhelm Marstrand – VERKAUFT

Wilhelm Marstrand
(1810 - Kopenhagen - 1873)

Maria, Rom 1837

Öl auf Leinwand, 25 x 31 cm

Provenienz:
Organist Rasmus Claudius Rasmussen (1820-1904) erworben vor 1874;[1] Seine Auktion, Kopenhagen, 17. Oktober 1904, Tag 1, Lot 77 (Abb.);
Knud Gummesen Brandt (1853-1930) mit Ehefrau Petra Hansine Brandt, geborene Petersen (1852-1922, Nichte des Malers Christen Købke);
Nachlassauktion Brandt, V. Winkel & Magnussen, Kopenhagen, Auktion 77, 10. April 1930, Lot 115 (Abb.);
erworben von ihrem Sohn, dem Maler Ernst Vilhelm Brandt (1880-1957);
Gerda Brandt, Kopenhagen;
Bruun Rasmussen, Kopenhagen, Auktion 295, 10. Mai 1973, Lot 499 (Abb.);
Galerie von Negelein, Kiel;
Deutsche Privatsammlung.

Ausstellung:
Fyns Stifts Kunstforenings Udstilling, Odense, Mai-Juni 1906, Nr. 159 (Leihgabe von Knud Gummesen Brandt).

Literatur:
Fortegnelse over en Samling Malerier udførte i Olie og Gouache, tilhørende R.C. Rasmussen, Kopenhagen 1874, Nr.114;
Arne Brenna, ‚Aktmaleri fran dansk Gullalder’, in Konst og Kultur 1974, 57. Jg. S. 89 (Abb.);
Konst i Privateye, Bd. II, Kopenhagen 1985, S. 249, Abb. 6.

 

Wilhelm Marstrand[2] studierte 1826 bis 1833 bei C. W. Eckersberg an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Eckersberg war mit Abstand der innovativste dänische Maler seiner Generation und gleichzeitig Ziehvater der bedeutendsten Maler der Folgegeneration. Marstrands Malerei inspirierte sich zunächst an Szenen aus dem Kopenhagener Alltag. Nach Abschluss seiner akademischen Ausbildung reiste er 1836, wie so viele junge Maler Europas, mit einem Stipendium für zwei Jahre nach Rom. Dort fand er schnell Anschluss an den Kreis dänischen Künstler, den Constantin Hansen in seinem berühmten Gruppenbild von 1837 festgehalten hat (Abb. 1). Die meisten Maler kannte Marstrand bereits aus Eckersbergs Atelier, darunter Hansen, Martinus Rørbye und Albert Küchler.

Abb. 1 Constantin Hansen, Eine Gruppe von dänischen Künstlern in Rom, 1837, Öl auf Leinwand, 62 x 74 cm, Statens Museum for Kunst, Inv. Nr. KMS3236. Von links nach rechts sind dargestellt: Hansen, Gottlieb Bindesbøll, Martinus Rørbye, Wilhelm Marstrand, Albert Küchler, Ditlev Blunck und Jorgen Sonne.

Das rege Straßenleben Roms ermöglicht dem jungen Maler, sein Interesse an Genreszenen zu vertiefen. In Roms Umland studiert er die Kostüme und Gebräuche der Landbevölkerung. Heute zählt er zu den wichtigsten Malern des dänischen Goldenen Zeitalters. 2020/21 wurde ihm eine große Retrospektive gewidmet, Wilhelm Marstrand – The Great Storyteller im Fuglsang Art Museum, The Nivaagaard Collection, Ribe Art Museum und The Skovgaard Museum.

Das Studium weiblicher Akte nach der Natur galt in Dänemark bis in die 1830er Jahre als unschicklich. Kurz nachdem Marstrand im März 1833 die große Silbermedaille der Akademie gewonnen und damit seine Ausbildung offiziell abgeschlossen hatte, kam es dann aber zu einer Neuerung. Im Sommer desselben Jahres hatte die Akademie sich endlich entschlossen, ihren Widerstand aufzugeben und den Studenten so das Studium weiblicher Aktmodelle zu ermöglichen. Bis dahin hatte man sich mit männlichen Modellen begnügen müssen. Marstrand und andere Absolventen der Akademie ergriffen begeistert die neue Gelegenheit. Zunächst fanden die Sitzungen in Eckersbergs Atelier statt, dem die Praxis aus seinen Studienjahren in Paris bereits durchaus geläufig war.

Für die jungen Maler war es sicherlich aus verschiedenen Gründen spannend, den weiblichen Akt an lebenden Modellen und nicht mehr an Gipsabgüssen antiker Skulpturen studieren zu müssen. Dafür sprechen auch Tagebucheinträge, die mitunter auch die Schönheit der Modelle kommentieren. Es waren wohl Kopenhagenerinnen aus einfacheren Verhältnissen, die sich so etwas dazu verdienten.

Abb. 2 Constantin Hansen, Rückenakt, Juni 1833, Öl auf Leinwand, 31,7 x 23,6 cm, Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek

Abb. 3 Christian Købke, Rückenakt, Juni 1833, Öl auf Leinwand, 33 x 25 cm, Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek, Inv. Nr. MIN 1956

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von einer Sitzung im Juni 1833 haben sich von verschiedenen Malern gefertigte Rückenansichten desselben Modelles erhalten. Sie sind simultan entstanden und dokumentieren auf einzigartige Weise die erste Stunde der akademischen Malerei mit weiblichen Modellen in Kopenhagen. An der Sitzung beteiligt waren neben Prof. Eckersberg, Hansen (Abb. 2), Marstrand, Købke (Abb. 3), Rørbye und A. Müller, die besten Maler der kommenden Generation.

Abb. 4 Wilhelm Marstrand, Zwei Studien des liegenden weiblichen Modells, Bleistift auf Papier, 23 x 31 cm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Inv. Nr. KKSgb6296

Der hier vorgestellte weibliche Akt von 1837, einige Monate nach Marstrands Ankunft in Rom entstanden, ist damit ein Resultat der Innovationen an der Kopenhagener Akademie. Ganz typisch für Marstrand vereint das kleine Gemälde Qualitäten einer Studie nach der Natur mit denen eines Genrebildes. Durch eine erhaltene Zeichnung des Künstlers, beschriftet Maria, Campo Vaccino no. 16 (Abb. 4), ist uns sogar Name und Adresse des Models überliefert. Die Zeichnung ist ein echtes Studienblatt und zeigt das Modell in variierten Posen. Sicherlich existierte auch eine weitere Variation, die dem vorgestellten Gemälde als Vorbild diente. Modellierung und Schraffur sind fein ausgearbeitet und die notwendige Grundlage für den Naturalismus der gemalten Darstellung, der gelungenen Anatomie und dem nuancierten Teint. Die Pose der selbstbewussten jungen Frau, die den Betrachter fest in den Blick nimmt, assoziiert der heutige Betrachter wohl zunächst mit Goyas berühmter Nackter Maya (Abb. 5)[3], die, zusammen mit ihrem bekleideten Pendant, um 1800 in Madrid entstanden war. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass Marstrand dieses Gemälde kannte. Sofort nach seiner Vollendung wanderte es zusammen mit seinem bekleideten Pendant in die nicht öffentlich zugängliche Privatsammlung des spanischen Premierministers Manuel de Godoy, wo beide Versionen bereits 1808 von der Inquisition beschlag-nahmt wurden und danach viele Jahrzehnte in den Depots der Inquisition verblieben, bis sie 1901 in den Prado, Madrid, überführt wurden. Eine graphische Reproduktion der nackten Maya aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist nicht bekannt und scheidet daher als Vorlage ebenfalls aus.

Abb. 5 Francisco de Goya y Lucientes, Die nackte Maya, 1795-1800, Öl auf Leinwand, 97,3 x 190,6 cm, Madrid, Museo del Prado.

So ist es wahrscheinlicher, dass die Pose von mythologischen Aktdarstellungen der Renaissance, etwa von Tizian, inspiriert ist. Aber das Selbstbewusstsein der jungen Frau im hier und jetzt, ihr fast provokanter Augenkontakt mit dem Betrachter, eine naturalistische Darstellung, die, ganz und gar unklassisch, auch Details wie die Körperbeharrung abbildet, entspringen Marstrands Interpretation einer erlebten Situation.

Durch den abgebildeten Hausrat erhält Marstrands Akt den Charakter einer Alltagsszene. Das Madonnenbild, daneben an einem Nagel der Rosenkranz, die eben ausgezogenen Pantoffeln, sowie der Spinnrocken, den das Modell hinter das Kopfkissen gesteckt hat, lassen den Betrachter an der intimen Häuslichkeit des Modells teilhaben. Zeigt die Darstellung vielleicht auch die Faszination des Besuchers aus protestantischen Landen, angesichts der Freizügigkeit einer Metropole, wie es die ewige Stadt zu jener Zeit war?


[1] Bedeutend ist die Kenntnis über einen der ersten Besitzer des vorgestellten Gemäldes von Marstrand. Rasmus Claudius Rasmussen (1820-1904) verdiente seinen Lebensunterhalt als Musiklehrer und Organist. Zudem sammelte er Kunstwerke, Antiquitäten, Münzen, besaß eine Bibliothek mit 12.000 Bänden und war in der Kopenhagener Kunstszene engagiert.[1] Den Akt erwarb er vor 1874, denn in jenem Jahr wurde der Katalog seiner umfangreichen Kunstsammlung Fortegnelse over en Samling Malerier udførte i Olie og Gouache, tilhørende R.C. Rasmussen publiziert.

[2] Biographische Informationen zu Marstrand siehe Wilhelm Marstrand den store fortæller / forfattere, Kat. Ausst. Fuglsang Kunstmuseum, Nivagaards Malerisamling, Ribe Kunstmuseum, Skovgaard Museet, 2020.

[3] Francisco de Goya y Lucientes, Die nackte Maya, 1795-1800, Öl auf Leinwand, 97,3 x 190,6 cm, Madrid, Museo del Prado.

Kommentare sind deaktiviert

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen