Telemaco Signorini (1835 - Florenz - 1901)
Villa presso Firenze (Villa bei Florenz), c. 1856-1859
Öl auf Pappe, 21 x 17 cm
Rückseitig Sammlerstempel von Paolo Signorini; gedruckte Karte der Galleria Pesaro in Mailand; maschinenschriftliche Notiz mit Nummer oder Referenz (37).
Provenienz:
Sammlung Comm. Paolo Signorini, Florenz
Ausstellungen:
1926, Florenz, Accademia di Belle Arti, Onoranze a Telemaco Signorini
1930, Mailand, Galleria Pesaro, Telemaco Signorini;
2010, Montepulciano, Museo Civico Pinacoteca Crociani, Macchiaioli a Villa Bardini.
Literatur:
1926, Academia di Belle Arti, Onoranze a Telemaco Signorini, Ausstellungskatalog S. 23 n.5;
1930, Mailand, Galleria Pesaro, Esposizione e vendita delle opere di Telemaco Signorini e delle opere di altri artisti dell ´800 dagli stessi donate a Telemaco Signorini, Ausstellungskatalog. Mit Vorwort von U. Ojetti, pl. CXII, n.78; 1942, Telemaco Signorini, Ausstellungskatalog, Mailand, S. 97;
2010, Macchiaioli a Montepulciano. Capolavori e inediti privati, exh. cat. (Montepulciano), herausgegeben von S. Bietoletti, R. Londi, Mailand, S. 48, 108 n. 13;
2011, Macchiaioli a Villa Burdini Ausstellungskatalog, (Florenz), herausgegeben von S. Bietoletti, R. Longi, Mailand, S. 48, 108 n.13.
Telemaco Signorini (1835-1901) war eine der Hauptfiguren der Macchiaioli, eine Gruppe italienischer Realisten, die in der Zeit des Risorgimento in Florenz aktiv und durch ihren Wunsch, die italienische Kunst wiederzubeleben, geeint waren[1]. Der als Sohn eines bekannten Florentiner Vedutenmalers geborene Signorini begann seine künstlerische Ausbildung schon früh. Im Alter von zwanzig Jahren begann er das Caffè Michelangelo zu frequentieren, in dem sich fortschrittliche Künstler trafen, um über Politik und Kunst zu diskutieren. 1855 trafen sich dort die Maler Domenico Morelli, Saverio Altamura und Serafino De Tivoli und berichteten enthusiastisch von der Neuartigkeit des Französischen Romantizismus und der Barbizon Maler, welche sie gerade in der Exposition Universelle in Paris gesehen hatten. Ein Jahr später gewährte der in Florenz lebende russische Adelige Anatole Demidoff Künstlern Zugang zu seiner Kunstsammlung, welche Bilder führender französischer Maler wie Paul Delaroche, Eugene Delacroix, Jean-Baptiste-Camille Corot und Alexandre-Gabriel Decamps beinhaltete. Diese hinterließen einen bleibenden Eindruck bei Signorini und seinen Malerfreunden und inspirierten sie zu weiteren technischen und malerischen Experimenten. Der Neapolitaner Morelli machte seinen Florentiner Kollegen mit seiner skizzenhaften Pinselführung und starkem Chiarroscuro vertraut, welche er auf den Bozzetti seiner Geschichtsbilder verwendete. Signorini und einige andere Maler begannen mit Morellis Technik en plein-air zu experimentieren, was zu der macchia (=Punkt) Technik führte, für die die Gruppe berühmt wurde. Bildlich gesprochen, übersetzt die macchia Technik das Motiv zum Gemälde, indem Punkte verschiedener Farbwerte und Lichtstärke nebeneinandergesetzt werden, was Formen definiert, ohne Umrisse zu benötigen. Die ersten Beispiele dieser Technik sind die Skizzen von Straßen, Kanälen und Palazzi, welche Signorini bei seinem ersten Besuch in Venedig 1856 fertigte (Abb. 1). Als Signorini später in demselben Jahr nach Florenz zurückkehrte, wollte er zwei dieser Arbeiten bei der Florentiner Promotice ausstellen, die größte jährliche Kunstaustellung in Florenz, doch die Jury lehnte sie wegen der exzessiven Heftigkeit des Chiaroscuro ab, wie Signorini später in einem Brief von 1862 schrieb[2]. Die übertriebenen Kontraste, das Missachten des disegno zugunsten des Effekts und eine skizzenhafte Qualität der Arbeiten, die Signorini und seine Kameraden in der zweiten Hälfte der 1850er zeigten, führten dazu, dass der moderat konservative Kunstkritiker Giuseppe Rigutini 1862 die Gruppe spöttisch “Macchiaioli“ betitelte[3]. Signorini verteidigte die neue Methode und erklärte, dass die experimentelle Technik und realistische Motivwahl die Möglichkeit eines neuartigen Weges der Darstellung von Politik, Wirtschaft und der Gesellschaft bot. Außerdem wies er darauf hin, dass der übertriebene Chiaroscuro zwar ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Macchia gewesen war, jedoch nun von einer subtileren Art, Farbwerte zu setzten, abgelöst worden war.
Die Skizze der Villa presso Firenze, ähnlich den von Signorini in Venedig angefertigten Skizzen (Abb. 1) und einige weiteren Werken aus der zweiten Hälfte der 1850er, ist ein typisches Zeugnis der frühen macchia Technik und der Faszination Signorinis für starke Kontraste. Kleckse von hellen und dunklen Grüntönen formen Bäume und kleine Pflanzen, die vor den hellen Wänden der Villa hervorstechen. Die Schatten, die von dem Dach geworfen werden, sind in einem dunklen blau-grau gehalten, was Signorinis Begabung, die Natur genau zu beobachten und seine Wahrnehmung in Farbe zu konvertieren, beweist. Ein typisches Beispiel für seine Fähigkeit, Objekte auf ihre Essenz zu reduzieren, ist die Art, in welcher er die Terracottatöpfe den Weg entlang mit minimalen Mitteln skizziert. Die lebhafte Pinselführung, intelligente Vereinigung des Untergrunds mit dem Vordergrund und die scheinbar zufällige Beschneidung, die an zeitgenössische Fotografie erinnert, addiert noch zu der Dringlichkeit, die diese frische Ölskizze ausstrahlt.[4]
Obwohl in vielerlei Hinsicht eine typische toskanische Villa, mit der charakteristischen Farbe, den drei Stockwerken und der gewölbten Loggia, kann das Gebäude in dieser Skizze doch als das Landhaus, welches im Hintergrund des Porträts, das Antonio Ciseri von dem weltberühmten pietra dura Künstler Gaetano Bianchini und seiner Familie malte, identifiziert werden.[5] Die Reminiszenz wird noch deutlicher in einer vorbereitenden Zeichnung für das Familienporträt (Abb. 2). Es zeigt deutlich den nicht axialen Verlauf der Fenster und die unverwechselbare Öffnung in der Wand zwischen Erdgeschoß und erstem Stock nahe der rechten Ecke des Haupthauses, die auch die Villa in Signorinis Skizze kennzeichnet. Wegen des Mangels primärer Quellen kann die Art der Beziehung zwischen Signorini und der Familie Bianchini nicht bestätigt werde. Trotzdem haben Versuche, eine Antwort auf diese Frage zu finden, alle in die Richtung des eng verwobenen, dynamischen Künstlernetzwerks des Florenz im 19. Jahrhundert gedeutet, das sowohl traditionelle Kunst und Kunsthandwerk herstellte, als auch eine Plattform für innovative Kunst wie die von Signorinis Skizze der Villa Bianchini bot.
[1] Die bekanntesten Künstler dieser Bewegung waren neben Telemaco Signorini Giuseppe Abbati, Cristiano Banti, Odoardo Borrani, Vincenzo Cabianca, Adriano Cecioni, Vito D´Ancona, Serafino De Tivoli, Giovanni Fattori, Raffaello Sernesi und Silvestro Lega.
[2] Al mio ritorno in Firenze, ebbi i miei primi lavori rigettati dalle nostra Promotrice per eccessiva violenza di chiaroscuro e fui attaccato dai giornali come macchiajolo. Brief von Signorini an den Präsidenten der Accademia di Belle Arti Firenze, 1892; Alba del Soldato, ‚Cronaca Biografica e Storica’, in Telemaco Signorini, Kat. Ausst., herausgegeben von Piero Dini, Montecatini Terme 1987, S. 54.
[3] Già da qualche tempo si parla fra gli artisti di una nuovo scuola che si è formata, e che è stata chiamata dei Macchiajoli. [...] Son giovai artisti ad alcuni die quali si avrebbe, torto negando un forte ingegno, ma che si son messi in testa di riformar l´arte, partendosi dal principio che l´effetto è tutto. [...] Che l´effeto ci debba essere, chi lo nega? Ma che l´effetto debba uccidere il disegno, fin la forma, questo è troppo. Giuseppe Rigutini (alias Luigi), “Ciarle Fiorentine“, Gazetta del Popolo, 3. November 1862, wiedergegeben in Telemaco Signorini, Zibaldone, Florenz 2008, ohne Seitenangabe.
[4] Signorini und die Macchiaioli interessierten sich stark für wissenschaftliche Entdeckungen, optische Apparaturen und Photographie, was sich in ihren Annäherungen an die Darstellung von Realität zeigt. Siehe I Macchiaioli e la fotografia, Ausstellungskatalog herausgegeben von Monica Maffioli, Silvio Balloni und Nadia Marchioni, Florenz: Fratelli Alinari Fondazione per la Storia della Fotografia, 2008.
[5] Gaetano Bianchini (1807-1866) arbeitete für Gönner in Italien, Russland und England. Für mehr Information siehe Dagli splendori di corte al lusso borghese – L´Opificio delle Pietre Dure nell´Italia unita, Kat. Ausst. herausgegeben von Annamaria Giusti, Florenz 2011.