Lovis Corinth
(Halle 1785 - 1863 Ostrau)
Leda, 1890
Öl auf Pappe auf Holz, 36 x 49,5 cm
Unten links signiert und datiert Lovis Corinth / 1890
Provenienz:
Ernst Zaeslein (1863-1918), Berlin;
Galerie Eduard Schulte, Sammlung Ernst Zaeslein, 1912, Nr. 568;
Alfred Walter von Heymel (1878-1914), Berlin, Schriftsteller und Verleger;
Prestel, Frankfurt, Auktion, 10.5.1915, Nr. 40;
Cassirer-Helbing, Berlin, Nachlass A. W. von Heymel, 8.3.1917, Nr. 12;
Theodor Schall, Berlin (1917 erworben);
Cassirer-Helbing, Berlin, Sammlung Theodor Schall, 26.10.1926, Nr. 4;
E. Weißner, Berlin;
Leo Spik, Berlin, Auktion 536, 10.-12.4.1986, Nr. 60, Farbabb. Taf. 7;
Bolland & Marotz, Bremen, Auktion, 17.10.1986, Nr. 762, mit Abb.;
Privatsammlung, USA.
Literatur:
Charlotte Berend-Corinth, Die Gemälde von Lovis Corinth, München 1958, Nr. 73;
Charlotte Berend-Corinth, Lovis Corinth: Die Gemälde, Werkkatalog, München 1992, S. 65, Nr. 73, Abb. S. 330;
Christine Biró, Zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Zur Bedeutung weiblicher Identität on den Bildern Lovis Corinths, Herbolzheim 2000, S. 33.
Die Basis für Lovis Corinths intensive Beschäftigung mit dem Akt legte sein Studium an der renommierten Pariser Académie Julian bei William Bouguereau und Tony Robert-Fleury, zwischen 1884 und 1887. Mit den dort entstandenen Aktgemälden, rund ein Dutzend an der Zahl, rückte der Akt hier erstmals in das Zentrum seines Schaffens. Geprägt von der akademischen Tradition und seinem Lehrer Bouguereau, griff Corinth für die großen Themen, Liebe, Sexualität und Tod gerne auf die Mythologie zurück. In der Realisierung ging er allerdings konsequent eigene Wege.1
Die komplexen Implikationen der Geschichte der Verführung von Leda, der Tochter des ätolischen Königs Thestios, hat Künstler über Jahrhunderte fasziniert. Der Sage nach verliebte sich Zeus in Leda. Um sie zu verführen, näherte er sich ihr in Gestalt eines Schwanes. Darauf gebar Leda späterer Überlieferung zufolge Helen und Polydeukes, Kinder des Zeus, während sie gleichzeitig Castor und Klytaimnestra, Kinder ihres Ehemannes Tyndareus, des Königs von Sparta, trug.
Vier Mal beschäftigte sich Corinth im Laufe von fast 30 Jahren mit dem Motiv (WK 73, 229, 476 und 753), so dass sich an der Reihe von Leda Motiven die Entwicklung seiner Malerei veranschaulichen ließe. Unser Gemälde, datiert 1890, ist wohl in Königsberg entstanden2 und ist das erste der Reihe. Eine dynamische Arbeit, wohl spontan im Atelier entstanden, gemalt auf eine bereits für ein anderes Motiv verwendeten dicken Pappe. Die Rothaarige Femme fatale erschöpft und euphorisiert. Der Schwan im Hintergrund noch sichtbar. Jedes der vier Werke besitzt eine eigene Veranschaulichung des verführerischen und erotischen Weiblichen, wobei die späteren Werke eine direkte Darstellung des Liebesaktes zeigen.
Die bis an den vorderen Bildrand gerückte nackte Leda lässt keine Distanz zwischen sich und dem Betrachter. Zeus, in Gestalt des Schwans, geht nach dem Liebesakt eigene Wege, schwimmt dem Sonnenuntergang entgegen und lässt Leda erregt zurück. Die laszive Körperhaltung Ledas steht für die animalische Natur der Frau.
Die Behandlung des Aktes nimmt auch in dem von Corinth 1908 verfassten Lehrbuch Das Erlernen der Malerei einen prominenten Platz ein. Das genaue Studium und die präzise Darstellung des unbekleideten Körpers sah der Maler als unabdingbare Basis künstlerischer Arbeit an.3
1 Vgl. Barbara Martin, Nackt und bloß: Lovis Corinth und der Akt um 1900, Kat. Ausst. Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, 26. Februar - 11. Juni 2017, S. 12-13.
2 Nach erneuten Jahren in Königsberg schloss er sich 1891 in München dem Kreis um die Secession, Franz von Stuck, Fritz von Uhde und Wilhelm Trübner, an.
3 Vgl. Nackt und bloß, op. cit., S. 69-70.