Giuseppe de Nittis (Barletta 1846 - 1884 St.-Germain-en-Laye)
Lavaströme, Vesuv 1872
Öl auf Holz, 13 x 18 cm
Signiert unten rechts De Nittis
Rückseitig Nachlassstempel Atelier de Nittis und Etikett der Collection Sommaruga und Angiolini
Provenienz:
Sammlung Angelo Sommaruga, Paris
Sammlung Alvaro Angiolini, Livorno
Privatsammlung, Bari
Frau Prof. Christine Farese Sperken hat die Authentizität der vorliegenden Studie bestätigt.
Innerhalb des Œuvres Giuseppe de Nittis nehmen die zwischen 1871 und 1872 entstandenen Studien des Vesuvs eine herausragende Stellung ein. De Nittis, zu dieser Zeit bereits ein arrivierter Maler, verließ Paris im Herbst 1870 zusammen mit seiner Frau zu einer kurzen Reise in seiner italienische Heimat. Durch den deutsch-französischen Krieg verlängerte sich sein Aufenthalt dann auf drei Jahre. Zunächst wohnte er in Neapel, dann bis 1873 in Resina, einem kleinen Dorf malerisch an den Hängen des Vesuvs gelegen. Fernab der Großstadt, inspiriert von der umgebenden Natur widmete er sich, wie zu Anfang seiner Karriere, erneut der Landschaftsmalerei. Bald zog ihn die zu diesem Zeitpunkt gerade wieder erstarkende Aktivität des Vesuvs in ihren Bann. Der Vulkan und die mit den Eruptionen einhergehenden Naturphänomene wurden sein Motiv.[1]
Unsere kleinformatige Ölstudie besticht durch den komprimierten Bildausschnitt und hat die Spontanität einer Fotografie. Tatsächlich hat de Nittis sich auch ausführlich mit diesem neuen Bildmedium auseinandergesetzt. Die Nahaufnahme des erstarrten Lavastromes konzentriert sich ganz auf die Schilderung der unterschiedlichen Texturen. Die Skizze wirkte fast abstrakt, würde ihr der kleine Bildausschnitt mit Himmel links oben nicht Räumlichkeit geben. De Nittis gelingt mit schnellem Pinsel eine feine Modellierung der unterschiedlichen Gesteine in Braun-, Rot- und Schwarztönen. Er wählt den Farbauftrag so transparent, dass der gelbe Ton und die Struktur der Holztafel in den oberen Partien des Bildes mit wirken.
In seinem Tagebuch hielt er seine Eindrücke der vulkanischen Aktivitäten und des Malens en plein-air fest. Allein sechs Stunden des Tages benötigte er für den Auf- und Abstieg zu Pferde. Er bestieg täglich den Vulkan, so auch am Tag des eigentlichen Ausbruchs am 26.4.1872, der ihn nachhaltig beeindruckte. Während dieser Monate entstanden zahlreiche kleinformatige, en plein-air Studien, die „wilde Schönheit“ [2] der Natur zeigend. Losgelöst von den bis dahin gängigen effektheischenden Darstellungen des ausbrechenden Vesuv die den Grand Tour Reisenden als Souvenir dienten – etwa von Volaire, Wright of Derby, Catel, Fabris und Hackert – setzte sich de Nittis mit der Vielfalt verschiedener Wetter- und Lichtverhältnisse auseinander, entwickelte eine Vorliebe für außergewöhnliche Blickwinkel und Nahaufnahmen, Licht und Farbe.
Nicht übersehen sollte man außerdem den wechselseitigen Einfluss der zeitgenössischen Fotografie, beispielsweise jene Fotografien des Vesuvs, die Giorgio Sommer (Abb. 1) oder auch Gustave Eugène Chauffourier im Jahr 1872 machten.
[1] Emanuela Angiuli und Fernando Mazzocca (Hgg.), De Nittis, Kat. Ausst. Padua, Palazzo Zabarella, Venedig 2013, S. 100-3 und 212-4.
[2] Giuseppe de Nittis, Taccuino 1870-1884, prefazione di E. Cecchi, Bari 1964, S. 75: bellezza selvaggia.