Emil Nolde (Nolde nahe Tondern 1867 - 1956 Seebüll)
Frau mit kleinem Mädchen, Japan 1913
Aquarell und Tusche auf Japanpapier, 28 x 24 cm
Signiert unten rechts Nolde.
Provenienz:
Aus dem Besitz des Künstlers
Dr. Lotte Redlefsen, geborene Rieve, zwischen 1939 und 1945 von Nolde erhalten, im Tausch für Malfarben[1]
Seitdem in Familienbesitz, Berlin
Meine Farben, die Feder und die Papiere folgten mit uns, wo immer wir hingingen[2]
Als Mitglied der „Medizinisch-demographischen Deutsch-Neuguinea-Expedition“ des Reichskolonialamtes reiste Emil Nolde gemeinsam mit seiner Frau Ada am 3. Oktober 1913 auf eigene Kosten von Berlin ab. Sein Ziel war die Südsee. Die Expedition führte den Maler über Moskau, Sibirien, Korea, Japan, China und die Philippinen bis nach Neuguinea. Die vorzeitige Rückkehr des Ehepaars Noldes im Mai 1914 führte über Celebes, Java, Birma und Ceylon nach Ägypten. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August reisten sie auf einem holländischen Dampfer von Port Said über Marseille nach Genua und fuhren mit dem Zug über Zürich und München zurück nach Berlin. Das vorausgeschickte Gepäck mit den auf der Reise entstandenen Arbeiten wurde Anfang August im Golf von Biskaya von den Engländern beschlagnahmt und tauchte erste 1922 in einem Warenhaus in Plymouth wieder auf.[3] Auf der Reise entstanden Aquarelle und Zeichnungen, welche die Grundlage für später entstandene Gemälde darstellten.
Drei Wochen verbrachten Nolde und seine Frau während des Herbstes 1913 in Japan.[4] Sie reisten mit Zug und Auto quer durch das Morgensonnenland, wie Nolde es nannte[5]. In Tokio besichtigten sie Theater, das Geishaviertel, in Kioto das Museum, sowie die Tempelanlagen von Huriusi. Nolde erwarb „feine, empfindliche Büttenpapiere, die die fließenden Farben voll in sich aufsogen“[6].
Unser Aquarell, in Japan entstanden, stellt eine sitzende Frau dar an die sich ein kleines Mädchen schmiegt. Die Frau trägt einen blauen Kimono, der des Mädchens ist auffällig gemustert. Das innige Verhältnis der beiden zueinander kommt in Noldes Aquarell gut zur Geltung. Möglicherweise handelt es sich um eine Geisha, die eine Maiko (Geisha-Auszubildende) unterrichtet. Die Ausbildung begann traditionell mit sechs Jahren, sechs Monaten und sechs Tagen und umfasste die Grundlagen der traditionellen japanischen Künste. Das Blatt ist auf wenige kräftige und leuchtende Farben reduziert, wie sie sich auch in weiteren Japan-Aquarellen von 1913 wiederfinden (Abb. 1).
Wir danken Herrn Dr. Christian Ring, Nolde Stiftung Seebüll, für seine Hilfe bei der Recherche.
[1] Ihr Vater, Georg Rieve, war Architekt und ein enger Freund Noldes. Zusammen erbauten sie Seebüll. Nach dem Tod Noldes war Rieve ein Gründungsmitglied des Noldekuratoriums, damals noch unter Leitung von Lepels. Vgl. Emil Nolde, Reisen, Ächtung, Befreiung. 1919-1946, Köln 1967, S.101 und S. 135. [2] Emil Nolde, Welt und Heimat. Die Südseereise 1913-1918, geschrieben 1936, Köln 1965, S. 32. [3] Zur Südseereise siehe v.a. den dritten Teil von Noldes Autobiographie (Nolde, op. cit.); Manfred Reuther und Nolde Stiftung Seebüll (Hgg.), Emile Nolde - Die Südseereise 1913-1914, Kat. Ausst. Nolde Museum, Seebüll, Köln 2008. [4] Manfred Reuther und Nolde Stiftung Seebüll (Hgg.), Morgensonnenland. Emil Nolde in Japan, Kat. Ausst. Nolde Museum, Seebüll, Neukirchen 2005. [5] Nolde, op. cit., S. 32. [6] Emil Nolde - Die Südseereise, op. cit., S. 21.