Johan Christian Dahl, genannt Clausen-Dahl (Bergen 1788 - 1857 Dresden)
Landschaft bei Dresden: Blick auf Kleinzschachwitz und die Tafelberge der Sächsischen Schweiz, 1830
Öl auf Leinwand, 24 x 29,8 cm
Signiert und datiert unten Mitte JDahl / 1830
Auf der Rückseite J.C.C. Dahl / Partie bei Dresden / Herbst 1830.
Weiteres Etikett No. 9. Parti ved Dresden. Privat Eiendom. Mit roter Kreide 361
Provenienz:
Im Besitz von Johan Christian Dahl
General Siegwald Bull (1860-1936), Sohn der Tochter Caroline Bull, geb. Dahl
Dr. I. F. Lorentzen, Nordstrand, Oslo (1937)
Theodor Lorentzen Styr, Oslo (1988)
anschließend im Besitz der Tochter
Ausstellungen:
Katalog over Professor Dahl udstilligen, Christiania Kunstforening 1907, Nr. 9
J.C. Dahl's Verk, Kunstnernes Hus, Oslo, 1937, Nr. 361
Johan Christian Dahl 1788-1857. Jubileumsutstilling 1988, Oslo Nasjonalgalleriet, Bergen Billedgalleri, Oslo 1988, Nr. 124
Literatur:
Marie Lødrup Bang, Johan Christian Dahl, 1788-1857. Life and Works, Catalogue Raisonné, Oslo 1987, Bd. 2, S. 213-14, Nr. 642; Bd. 3, Abb. 267
Wir danken Herrn Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden, und Herrn Gert Scykalka, Kleinzschachwitz, für ihre Hinweise zur Topographie.
Dahl wählte als Standpunkt eine kleine Anhöhe nordöstlich der Ortschaft Dobritz, etwa auf halbem Weg zwischen Dresden und Pillnitz gelegen. Die umgebenden Felder, Wiesen und Wälder sind heute großteils bebaut und dem Stadtgebiet Dresdens einverleibt. Der Blick fällt auf einen allein stehenden, kahlen Baum, der das Bild im Goldenen Schnitt teilt. Nach einer 1845 erstellten Landkarte gehören die auf der linken Bildhälfte dargestellten Häuser wohl zu einer Ziegelei. Rechts dahinter liegt der Ort Laubegast. Der Höhenzug mit dem Borsberg auf der anderen Elbseite begrenzt die Ebene. Unterhalb des Borsbergs, verdeckt durch den Kleinzschachwitzer Kiefernwald, liegt Schloss Pillnitz. Am Horizont ist das Elbsandsteingebirge mit seinen Tafelbergen auszumachen, rechts der markante Lilienstein. Der mit wenigen Pinselstrichen angedeutete Kirchturm gehört zum einstigen Kirchdorf Leuben. Die Herbststimmung unterstreicht der einsam in den Vordergrund platzierte, von Saatkrähen bevölkerte, abgestorbene Baum.
Anders als bei Caspar David Friedrich bedient diese Landschaft nicht in erster Linie eine Vergänglichkeitsmetaphorik, sondern ist primär eine überaus gekonnte Naturstudie. Besonders eindrucksvoll erweist sich Dahls Meisterschaft in dem hohen Himmel und den vom Abendrot gefärbten Wolkenbänken.[1]
Während seines Romaufenthalts 1820/21 hatte Dahl Kontakt mit den französischen Malern François-Marius Granet und Achille-Etna Michallon, die in der Nachfolge Pierre-Henri de Valenciennes’ Wolkenstudien als eigenständiges Thema behandelten. Der wissenschaftliche Zugang zur Meteorologie begann Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst in England. Dies regte auch einige Künstler zu einer exakten Darstellung von Wolken und Wetterverhältnissen an. Das trifft nicht nur auf die Wolkenstudien des Engländers John Constables zu, ähnliche Tendenzen waren auch in Deutschland zu beobachten. Durch Goethe wurde Dahls Freund, der Dresdner Naturphilosoph und Maler C.G. Carus, in diese Thematik eingeführt. Er gab laut Aubert[2] die grundlegende Publikation zu einem naturwissenschaftlichen Verständnis der Wolkenbildung, Luke Howards „On the Modification of Clouds“, an Dahl weiter.[3]
Die 1830[4] datierte, kleinformatige Landschaft existiert in zwei Versionen: Eine Ausführung (Bang, Nr. 643) entstand als Geschenk für Advokat A. Kanzler aus Hohnstein bei Dresden.[5] Unser Gemälde blieb bei Dahl, was die Provenienz General Bull, Sohn von Dahls Tochter Caroline, bestätigt. Eine Entwurfszeichnung (Abb. 1), datiert November 1830, ist bezeichnet „an Adwokat Kansler“.
[1] Petra Kipphoff, ‚„Am Himmel ist geschäftige Bewegung.“ Die Nord-Süd-Passage oder Johann Christian Dahls Beitrag zur europäischen Wolkenbildung’, in: Heinz Spielmann, Ortrud Westheider (Hgg.), Wolkenbilder. Die Entdeckung des Himmels, Kat. Ausst. Bucerius Kunst Forum, Hamburg, Alte Nationalgalerie, Berlin, Aargauer Kunsthaus, Aarau, München 2004, S. 129. [2] Andreas Aubert veröffentlichte 1894 und 1920 die beiden grundlegenden Werke zu Dahls Biographie und Malerei. [3] Marie Lødrup Bang in: Johann Christian Dahl 1788-1857: Ein Malerfreund Friedrichs, Kat. Ausst., Neue Pinakothek München , 1989, S. 264. [4] Im Januar 1830 heiratete Dahl seine Schülerin Amalie von Bassewitz in Breslau. Sie starb jedoch bei der Geburt des Sohnes Harald im Dezember desselben Jahres. Vgl. Bang, op.cit., Bd. 1, S. 20. [5] Dahl malte bereits 1825 ein Gemälde Frau und Kind unter einer Tanne (Bang, Nr. 498) gleichen Formats für Kanzler. Caroline Louise Kanzler wird bei der Taufe von Dahls Tochter Caroline 1822 als Taufzeuge aufgeführt. Im selben Jahr erwähnt Dahl in seinem Tagebuch Advokat Kanzler im Kontext mit seinem Schwiegervater. Vgl. Bang, op.cit. Bd. 2, S. 170.