Christian Friedrich Gille (Ballenstedt 1805 - 1899 Dresden)
Die Elbe bei Übigau in der Nähe von Dresden, 1833
Öl auf Papier auf Pappe aufgezogen, 26,7 x 37,7 cm
Signiert, datiert und bezeichnet unten rechts am 27 May 33 CG/ Ubigau nach 5 Uhr (eingeritzt in die nasse Farbe)
Rückseitig ein Etikett Graphisches Kabinett, Günther Franke, Briennerstr. 51 und Christian Friedrich Gille (s. Abb. b. Gerstenberg-Oel)
Provenienz:
Johann Friedrich Lahmann, Dresden
Günther Franke[1], München
Privatsammlung, Deutschland
Literatur:
Kurt Gerstenberg, ‘Christian Friedrich Gille’, in Dresdner Kunstbuch, Dresden 1927, S. 14, Tafel 5
Gerd Spitzer (Hg.), Christian Friedrich Gille 1805-1899, Kat. Ausst., Dresden, Staatliche Kunstsammlungen und Bremen, Kunsthalle, 1994-95, Leipzig 1994, S. 22, Abb. 12
Von allen Dresdner Schülern Johan Christian Dahls ist Gille sicherlich der bedeutendste. Wie Dahl war er von den Vorzügen der plein-air Malerei überzeugt, ganz im Sinne der praktischen Umsetzung jener Anweisungen, die Carl Gustav Carus im achten seiner Neun Briefe zur Landschaftsmalerei ausführt: Der Künstler muss deshalb lernen, die Sprache der Natur zu sprechen; und der Ort solcher Unterweisung kann nur die natürliche Landschaft selbst sein […].[2]
Die meisten von Gilles plein-air Studien zeigen Landschaften um Dresden oder motivisch zunächst unspektakulär anmutende Naturdetails. Gille spielte keine prominente Rolle in Dresdner Künstlerkreisen. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Drucker und Lithograph und hatte wenig Kontakt zu anderen Künstlern. Er reiste kaum, auch nicht innerhalb Deutschlands, und war zeitlebens nicht in Italien. Eben jene plein-air Ölskizzen für die er heutzutage berühmt ist, erfuhren von seinen Zeitgenossen wenig Wertschätzung. Im Gegensatz zu seinem Lehrer Dahl hinterließ er lediglich eine kleine Zahl vollendeter Gemälde. Auch dies mag erklären, warum sein Werk in Vergessenheit geriet.
Die reizvolle Ölstudie belegt Gilles Fähigkeit, den breiten, ausladenden Pinselstrich im Vordergrund mit der Dichte an sorgfältig ausgeführtem Detail, besonders in der Behandlung des Mittelgrundes und der Silhouette vor dem Horizont, zu kombinieren. Es ist wichtig, anzumerken, dass der Künstler nicht nur die Notwendigkeit sah, das exakte Datum der Entstehung, sondern auch die genaue Tageszeit der Fertigstellung der Sskizze zu vermerken – um die Wetter- und Lichtverhältnisse jenes Tages und jener Stunde akribisch festzuhalten.
Diese Ölskizze ist ein bemerkenswertes Beispiel von Gilles Fähigkeiten und wurde von ihrem ehemaligen Besitzer, dem Sammler Johann Friedrich Lahmann (1858-1937)[3], mit Sicherheit hoch geschätzt. Lahmann kann als Wiederentdecker von Gilles Œuvre nach dem Tod des Malers am Ende des 19. Jahrhunderts angesehen werden. Er formte die größte Sammlung von Ölskizzen und Gemälden Christian Friedrich Gilles.
Kurt Gerstenberg war einer der ersten Kunsthistoriker, die Gilles plein-air Studien neu würdigten. Sein Aufsatz aus dem Jahr 1927 basiert auf dem Studium der Sammlung Lahmann. Erst im Zuge von Lahmanns großzügigem Vermächtnis seiner Sammlung an die Museen in Dresden und Bremen 1937 wurde ein größeres Publikum mit Gilles Œuvre vertraut.
[1] Günther Franke (1900-1976) begann als Kunsthändler in den 1920er Jahren und spezialisierte sich auf Deutschen Expressionismus, auf Arbeiten von Max Beckmann und französische Kunst der Klassischen Moderne. Das Emporkommen des Nationalsozialismus setzte dem freien Verkauf von deutscher expressionistischer Kunst ein Ende, und Franke wandte sich der Malerei des frühen 19. Jahrhunderts zu, insbesondere der plein-air Malerei, die er als unumstrittenen Wegbereiter der Moderne ansah. [2] Verfasst in den Jahren zwischen 1815 und 1824, vgl. Prause, Marianne, Carl Gustav Carus, Leben und Werk, Berlin 1968, S. 45 und Anm. 162. [3] Kunstverein in Bremen (Hg.), Johann Friedrich Lahmann, Kat. Ausst., Kunsthalle Bremen, Bremen 1995.