Carl Gustav Carus (Leipzig 1789 - 1869 Dresden)
Waldlandschaft im Frühherbst, um 1830
Öl auf Karton
15 x 19 cm
Provenienz:
Pfarrer Rietschel, Leipzig, 1968, (nach Prause)
Sammlung Dietze, Bremen
Literatur:
Elisabeth Bülck, Carl Gustav Carus. Sein Leben und sein Werk im Verhältnis zu Caspar David Friedrich und dessen anderen Schülern betrachtet, unpublizierte Dissertation, Greifswald 1943, Nr. 248;
Marianne Prause, Carl Gustav Carus. Leben und Werk, Berlin 1968, S. 170, Nr. 386, mit Abb.
Carl Gustav Carus ist eine der herausragenden Persönlichkeiten der Goethezeit. Der universal begabte und gebildete Arzt und Naturforscher war auch als Schriftsteller tätig und gehört zu den bedeutendsten Künstlern und Theoretikern der deutschen Romantik. Seit 1814 lebte er in Dresden. Seine Briefe zur Landschaftsmalerei gelten als ein Schlüsselwerk zum Verständnis der Ästhetik deutscher Landschaftsmalerei der Romantik.[1]
Stilistisch ordnet Marianne Prause vorliegende Studie einer kleinen Gruppe von Waldlandschaften zu, die sie um 1830 datiert.[2] Gemeinsam ist den Blättern, die auf Papier oder Karton gemalt sind, das ihren intimen Charakter betonende kleine Format. Auch das Prinzip, „ein nahsichtig wahrgenommenes Stück Natur“[3] vor den Ausblick in die Landschaft zu legen, ist diesen Arbeiten gemein. Besonderes Augenmerk legt Carus in unserem Fall auf die zarten Verästelungen der herbstlich belaubten Birken im Kontrast zu dem kompakt aufgebauten Nadelbaum rechts, den er in tiefdunklen Grüntönen gibt. Carus’ Studien unterscheiden sich von den ausgeführten Atelierbildern insgesamt durch einen breiteren Pinselstrich, eine größere Freiheit der Komposition und eine spontan anmutende Motivwahl. Die von Prause nach 1835 datierten Arbeiten ähnlichen Motivs erscheinen dabei noch skizzenhafter und mehr auf die reine Farbwirkung abgestellt.[4]
Besonders in seinen Landschaftsskizzen erweist sich Carus künstlerisch auf der Höhe der Zeit.[5] Vermutlich angeregt von den Ölstudien Johann Christian Dahls, der mit diesem neuartigen Typus des Landschaftsbildes für die gesamte Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts in Deutschland vorbildlich geworden ist, begann Carus bereits Mitte der 1820er Jahre im Dresdner Umland Ölskizzen en plein-air zu malen.
Auch in seinen Briefen zur Landschaftsmalerei hatte Carus in dieser Zeit auf die Notwendigkeit solcher Naturstudien hingewiesen. So beklagt er 1824 in seinem achten Brief die Vernachlässigung des Naturstudiums an den Akademien durch das zeitige Erlernen einer gewissen Manier und zwar durch stetes Kopieren der Landschaftsszenen und Gemälde anderer Künstler[6]. Der Landschaftsmaler müsse vielmehr mit der inneren Gesetzlichkeit vertraut gemacht werden, die den Bau einer Pflanze oder eines Gebirges gestaltet. Malt ein Landschafter seine Gemälde derart und vergisst nicht , eine gewisse Ehrfurcht Andacht vor der göttlichen Natur sich zu bewahren, dann, so sagt Carus an anderer Stelle, werden einst Landschaften höherer, bedeutungsvollerer Schönheit entstehen, als sie Claude und Ruisdael gemalt haben, und doch werden es reine Naturbilder sein, aber es wird in ihnen die Natur, mit geistigem Auge geschaut, in höherer Wahrheit erscheinen[7].
Carus wurde 1789 in Leipzig als Sohn eines Färbereibesitzers geboren. 1806 begann er an der Universität Leipzig ein Medizinstudium, besuchte daneben aber auch die Akademie, an der zu jener Zeit Friedrich August Tischbein und Hans Veit Schnorr von Carolsfeld unterrichteten. 1811 promovierte er als Mediziner an der Universität Leipzig und habilitierte sich dort. Gleichzeitig beschäftigte er sich auto-didaktisch mit der Ölmalerei. 1814 wurde Carus Professor für Gynäkologie an der medizinisch-chirurgischen Akademie in Dresden. Starke Impulse und einen nachhaltigen Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen verdankte Carus Caspar David Friedrich, mit dem ihn seit 1817 eine enge Freundschaft verband, sowie Johann Christian Dahl, der seit 1818 in Dresden lebte. Ende der 1820er Jahre löste sich Carus von Friedrichs künstlerischem Einfluss und gelangte zu einer persönlicheren Ausdrucksform. Seit 1827 war Carus Leibarzt des sächsischen Königshauses. Reisen teilweise in dieser Funktion führten ihn nach Rügen, in das Riesengebirge, nach Italien, Paris, England und Schottland. 1821 lernte er in Marienbad Goethe kennen, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft und Korrespondenz verband. Er starb 1869 in Dresden.
[1] Carl Gustav Carus, Zehn Briefe und Aufsätze über Landschaftsmalerei mit zwölf Beilagen und einem Brief von Goethe als Einleitung, 1815-1835, Leipzig und Weimar 1982 [2] Prause, op. cit. , Kat. Nr. 384 – 387. [3] Spitzer, Gerd, in: Carl Gustav Carus. Natur und Idee, Kat. Ausst. Staatliche Kunstsammlungen Dresden und Staatliche Museen zu Berlin, Juni 2009 - Januar 2010, Dresden und Berlin, 2009, S. 206 [4] Prause, op. cit., Kat. Nr. 357, 358, 394 [5] Marianne Prause, op. cit., S. 52 f. [6] Carl Gustav Carus, Neun Briefe über Landschaftsmalerei, geschrieben in den Jahren 1815-1824, Leipzig 1831, S. 105 (8. Brief). [7] Carl Gustav Carus, op. cit., S. 93 (6. Brief).