Anton Sminck Pitloo
(Arnhem 1790 - 1837 Neapel)
Lago di Nemi, Italien, 1811-37
Öl auf Papier, auf Leinwand, 21,5 x 27 cm
Komposition und Ausschnitt dieser paysage intime sind sorgfältig überlegt. Der schnelle, effiziente Pinselduktus gibt ihr trotzdem den Charakter einer Studie, dafür spricht auch das Papier als Träger. Das kühle Licht, das die Landschaft durchzieht, ist nicht der einzige Grund anzunehmen, dass die dargestellte Jahreszeit der Winter ist. Der Baum auf der rechten Seite hat den größten Teil seines Laubs verloren. Die wenigen welken Blätter haben den gleichen Kupferschimmer wie die umliegenden Hügel. Lichtakzente flackern über die Oberfläche von Baumstamm und Ästen und markieren die Steine und Gräser im Vordergrund. Der See hinter ihnen ist in einem dünnen Schleier verhüllt. Seine steilen Ufer, die auf seinen vulkanischen Ursprung hindeuten, sind sorgfältig in kupferbraunen Farbabstufungen gehalten.
Pitloos Maltechniken sind sehr unterschiedlich. Sie bewegen sich zwischen ganz summarischen nur auf Valeurs setzende atmosphärische Studien und meisterhaft ausgeführten detailreichen Arbeiten, wie der vorliegenden.
Nur einige Kilometer entfernt vom Lago di Nemi, in der kleinen Stadt Ariccia, traf sich die internationale Malergemeinde in der Pensione Martelli. Die Künstler tauschten sich untereinander aus. Sie verglichen ihre Arbeiten, sprachen über Kunsttheorien und unternahmen oft auch gemeinsame Malexkursionen. Zwei besonders beliebte Motive waren die malerischen Kraterseen Lago di Nemi und Lago Albano.
Nach einer ersten Ausbildung in seinem Heimatort Arnheim, erhielt Anton Sminck van Pitloo1 im Jahre 1808 von Louis Bonaparte – König des von seinem Bruder Napoleon geschaffenen Königreichs Holland – ein Stipendium für Paris und anschließend für Rom. In Paris lernte er zunächst bei dem berühmten Architekten Charles Percier, wechselte 1810 jedoch ins Landschaftsfach. Fortan frequentierte Pitloo die Ateliers von Jean-Joseph-Xavier Bidauld (1758-1846) und Jean-Victor Bertin (1767-1842), dem Lehrer von Jean-Baptiste-Camille Corot.
Nach einem dreijährigen Parisaufenthalt ist Pitloo ab 1811 in Rom dokumentiert und schloss sich dort dem Kreis seiner holländischen Malerkollegen Abraham Teerlink, Hendrik Voogd und Martin Verstappen an. Aufträge von Louis Bonaparte und dem Grafen von Berwick sind überliefert. Gegen Ende des Jahres 1814 folgte Pitloo dem russischen Diplomaten Graf Gregorio Vladimir Orloff nach Neapel. Der Maler lebte und arbeitete fortan in Neapel, bis zu seinem frühen Tode 1837.
Neapel war seit dem 18. Jahrhundert eine wichtige Etappe der Grand Tour und Ziel vieler europäischer Maler – zu nennen sind Joseph Wright of Derby, Jakob Philipp Hackert oder Joseph Vernet. Auch in den 1810er und 1820er Jahre beherbergte Neapel Künstler ersten Ranges. Anzuführen sind Turpin de Crissé 1808-1824, Franz Ludwig Catel regelmäßig ab 1812, Joseph Rebell 1813-1815, Wilhelm Huber 1818-1821, William Turner 1819-1820, Achille-Etna Michallon 1820, Johan Christian Clausen Dahl 1820-1821, Carl Gustav Carus und Jean-Baptiste-Camille Corot 1828.
Um 1820 eröffnete Pitloo eine private Malschule in seinem Haus in der Vico del Vasto in Chiaia, die zum Anlaufpunkt junger Talente wie Achille Vianelli, Giacinto Gigante, Gabriele Smargiassi und Teodoro Duclère, seinem zukünftigen Schwiegersohn, wurde. Daraus entwickelte sich die auf der Erneuerung der Vedutentradition des 18. Jahrhunderts aufbauende 'Schule von Posillipo'2 mit der Hinwendung zur plein air Malerei. Vor allem die Jahrzehnte bis 1830 sind bedeutend für das Schicksal der neapolitanischen Malerei, und Pitloo ist die unumstrittene Hauptperson dieser Zeit.3 1824 erhielt Pitloo die Professur für Landschaftsmalerei an der Accademia di belle arti di Napoli. In den Jahren 1826 und 1830 ist der Maler auf den Ausstellungen des Real Museo Borbonico vertreten.
1 Marina Causa Picone und Stefano Causa (Hgg.), Pitloo. Luci e colori del paesaggio napoletano, Kat. Ausst. Neapel, Museo Pignatelli, Neapel 2004, S. 89-118.
2 Pasquale Villari beschrieb die 'Scuola di Posillipo' 1855 wie folgt: The splendid climate and magnificent scenery surrounding Naples, together with the numerous foreigners who were always after a drawing or painting as memento, had spurred on a number of painters. They were referred to slightingly by the artists of the Accademia as the School of Posillipo, after the place where they resided to be near their foreign clients. Raffaello Causa, ‘The School of Posillipo - La Scuola di Posillipo’, in 19th century landscape painting in Naples. Giacinto Gigante e la Scuola di Posillip, Kat. Ausst. National Museum of Archeology Valletta, 23.11.2000-20.01.2001, Neapel 2000, S. 14-5. [La bellezza del clima, i paesaggi stupendi che circondano Napoli e i molti forestieri che ne chiedono sempre qualche ricordo disegnato o dipinto, avevano fatto sorgere un certo numero di artisti i quali, come per disprezzo, erano dagli accademici chiamati della «Scuola di Posillipo», dal luogo dove abitavano per essere più vicino ai forestieri.] 3 Pitloo, op. cit., S. 44.