Gaspare Gabrielli (1770 - Rom - 1828)
Blick vom Palatin auf den Konstantinsbogen und das Colosseum, 1819
Öl auf Leinwand, 46,4 x 59 cm
Signiert und datiert unten rechts G. Gabrielli / Roma / 1819
Provenienz:
Auktion London, 1950er Jahre
Seitdem in Familienbesitz, East Dorset
Im Herbst 1805 reiste Valentine Brown Lawless, 2nd Baron Cloncurry (1773-1853), zusammen mit dem römischen Maler Gaspare Gabrielli von Rom nach Irland, wo er über die nächsten Jahre für Cloncurrys Landsitz Lyon in Kildare einen größeren Freskenzyklus realisierte. Lord Cloncurry, als Kunstliebhaber und Streiter für die Unabhängigkeit Irlands bekannt geworden, weilte bereits seit 1803 in Italien, um Kunstwerke für seine Antiken- und Gemäldesammlung anzukaufen.[1]
Nach Beendigung des Auftrages zog Gabrielli mit seiner Ehefrau, einem Zimmermädchen Lady Cloncurrys, nach Dublin, wo er rasch großen Erfolg hatte und sich in den lokalen Künstlerkreisen etablierte. Zwischen 1809 und 1814 war er mit über sechzig Werken bei Ausstellungen der Society of Artists of Ireland, der Irish Society of Artists und der Hibernian Society of Artists vertreten. Nach seiner Ernennung 1811 zum Präsident der Society of Artists stellte Gabrielli seine Landschaftsbilder auch auf den Ausstellungen der Royal Academy in London aus.
Im Jahr 1816 kehrte der Maler zusammen mit seiner Ehefrau und seinem Sohn nach Rom zurück und bezog eine Wohnung in der Via Sistina. Bereits ein Jahr später wurde er Lehrer und Mitglied der Accademia di San Luca. Seine Kontakte nach England rissen nie ab. Er war eine wichtigen Adresse für irische und englische Grand-Tour Reisende, die bei ihm Romveduten und Landschaftsmotive bestellten. 1819, im Entstehungsjahr unserer Gemälde, muss er im Zenith seiner Bekanntheit und seiner künstlerischen Möglichkeiten gestanden haben. Der Maler William Turner führte Gabrielli in seiner Liste der zeitgenössischen Landschaftsmaler in Rom 1819 neben Franz Ludwig Catel, Joseph Anton Koch und Achille Etna Michallon auf.[2] Zudem fungierte der Maler ab 1819 als Kunstagent für William Spencer Cavendish (1790-1858), 6th Duke of Devonshire, welchen er mit Schadow, Thorvaldsen und Canova bekannt machte.[3] Dessen Stiefmutter Elizabeth, Duchess of Devonshire (1759-1824), war die Auftraggeberin der 1819 bzw. 1821 in London erschienenen Prachtausgabe der Aeneis, für welche Wilhelm Friedrich Gmelin nach Gabriellis Vorlagen einige Landschaften, darunter eine Ansicht des Forum Romanum mit dem Senatorenpalast im Hintergrund, stach.[4] In der Sammlung der Herzöge von Devonshire in Chatsworth House in Derbyshire hat sich heute noch ein großformatige Version eben jener Ansicht des Forum Romanum, wohl von Elizabeth in Auftrag gegeben, erhalten.[5]
Auch bei unseren in einer englischen Privatsammlung aufgetauchten Ansichten des Forums und des Kolosseums von Gabrielli handelt es sich mit großer Sicherheit um in Rom erworbene Souveniers der Grand Tour eines wohlhabenden Iren oder Engländers in Rom. Gabriellis stimmungsvolle Beleuchtung und seine detaillierte Wiedergabe der Architektur zeugen nicht nur von seinem malerischen Können, sondern auch von der Intention seiner Auftraggeber, sich die Eindrücke ihrer italienischen Bildungsreise möglichst lange vor Augen zu halten.
Bei der von Gabrielli gewählten Ansicht des Forum Romanum mit dem Senatorenpalast im Hintergrund steht der Betrachter mit dem Rücken zum Titusbogen und blickt über das Forum Romanum bis hin zum Kapitol. Über die Bildmitte zieht sich die Rückfront des Senatorenpalastes, der im 16. Jahrhundert auf dem Unterbau des antiken Tabularium, des römischen Stadtarchivs, entstand. Am Abhang des Kapitolinischen Hügels sind die Reste des Saturntempels, des Vespasiantempels sowie die Phokas-Säule und der Bogen des Septimus Severus zu sehen. Links wird die Komposition von drei fein kannelierten Säulen mit korinthischen Kapitellen, den Resten des Kastor- und Polluxtempels, dominiert. Bis zur Hälfe verschüttet, wurden sie 1810 bis 1813 unter der Leitung Giuseppe Valadiers ausgegraben. Die Ansicht auf die antike Trümmerstätte war schon im 17. und 18. Jahrhundert beliebt, hatte sich aber seit 1802, besonders aber seit 1813 durch systematische archäologische Grabungen wesentlich verändert. Gabriellis Darstellung des Forums gibt ein äußerst detailreiches und umfassendes Bild der aktuellen Grabungssituation wieder. Bewaffnete Schutzmänner überwachen die Grabungsarbeit und den Abtransport des Grabungsschutts durch Gefangene, die von Gabrielli detailgenau mit Fußfesseln dargestellt werden (Abb. 1). Eine in den Jahren der napoleonischen Besetzung eingeführte Neuerung mit dem Ziel die Grabungen bis zum Heiligen Jahr 1825 abzuschließen zu können.[6]
Auf der anderen Ansicht erscheinen zum Greifen nah das Kolosseum und der Bogen des Konstantin, eingebettet in das Panorama der Ewigen Stadt und der umliegenden Hügel. Zur linken Seite nimmt man den romanischen Campanile und die zwei Kuppeln von Santa Maria Maggiore wahr. Zwei Franziskanermönche aus dem nahen Kloster San Bonaventura[7] stehen, in ihr Gespräch vertieft, auf der in der Antike angelegten Terrasse an der nordöstlichen Seite des Palatin. Seit dem 17. Jahrhundert wurde dieser Ort nach der berühmten Familie die ihn besaß Vigna Barberini[8] – Weinberg der Barberini – genannt. Während der letzten 100 Jahre war die Vigna Barberini für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Erst seit 2009 kann man den Blick von der Terrasse auf das Kolosseum wieder genießen.
[1] Zusätzliche Berühmtheit brachte ihm ein Prozess ein, den er 1807 gegen Sir John Bennett Piers, 6th Baronet, of Tristernagh Abbey, anstrengte. Dieser hatte nach einer Wette, dessen 16jährige Frau verführt. Die Klage war erfolgreich, und er erhielt 20.000 Livres Schadenersatz – Zeuge war Gabrielli, der die Szene von einem Gerüst aus beobachtet hatte.
[2] Vgl. Nicola Moorby, ‘A List of Contemporary Landscape Artists Working in Rome 1819 by Joseph Mallord William Turner’, in David Blayney Brown (Hg.), J.M.W. Turner: Sketchbooks, Drawings and Watercolours, Dezember 2012, https://www.tate.org.uk/art/research-publications/jmw-turner/joseph-mallord-william-turner-a-list-of-contemporary-landscape-artists-working-in-rome-r1138651 (04.09.2014).
[3] Vgl. Maestà di Roma. Da Napoleone all’unità d’Italia. Universale ed Eterna Capitale delle Arti, Kat. Ausst. Rom, Scuderie del Quirinale, Galleria Nazionale d’Arte Moderna und Villa Medici, Rom 2003, S. 471.
[4] Auch der deutsche Maler Franz Ludwig Catel arbeitete im Auftrag der Herzogin an dem Projekt mit und lieferte Illustrationsvorlagen. Vgl. Andreas Stolzenburg, Der Landschafts- und Genremaler Franz Ludwig Catel (1778-1856), Kat. Ausst. Rom, Casa di Goethe 2007. S. 31-36.
[5] Ansicht des Forum Romanum, Öl auf Leinwand, 84,3 x 103,5 cm. Lady Morgan erinnert sich in ihrem Buch Italy an dieses Gemälde. Vgl. Lady Morgan, Italy, Bd. II, London 1821, S. 437. Eine weitere, ebenfalls 1819 datierte Ansicht Öl auf Leinwand, 46 x 58 cm, Privatsammlung, ist publiziert in vgl. Maestà a Roma, op. cit. S. 470, Kat. Nr. X.1.3.
[6] Vgl. Maestà a Roma, op. cit. S. 471.
[7] Zwei für den Betrachter nicht sichtbare Kirchen schließen sich der Vigna Barberini an: die kleine Kirche San Sebastiano an der Nordseite, der Legende nach der Ort des Martyriums des Heiligen Sebastians. Im Süden befindet sich die Franziskanerkirche San Bonaventura, die 1625 der Kardinal Francesco Barberini zusammen mit dem Kloster erbauen ließ
[8] Bereits im 19. Jahrhundert wurden Ausgrabungen auf der Vigna Barberini unternommen und die Thermen und der Tempel des Kaisers Elagabalo (218-222 v. Chr.) freigelegt. Vgl. Soprintendeza Speciale per i Beni Archeologici di Roma: http://archeoroma.beniculturali.it/foro-romano-palatino/vigna-barberini (04.09.2014).