Marco Ricci

Marco Ricci (Cividale di Belluno 1676 - 1730 Venedig)

Winterlandschaft, um 1725

Öl auf Leinwand, 68,3 x 107,8 cm

Provenienz:
Privatsammlung, München

Ausstellung:
Wintermärchen: Winter-Darstellungen in der europäischen Kunst von Bruegel bis Beuys, Kat. Ausst. Wien, Kunsthistorisches Museum, Zürich, Kunsthaus Zürich, Köln 2011, S. 262-3, Kat. Nr. 98 (mit Abb.)

 

Marco Ricci gilt als einer der Begründer der oberitalienischen Landschaftsmalerei des 18. Jahrhunderts. Er studierte zunächst bei seinem Onkel Sebastiano Ricci, mit dem er in Venedig auch zeitweise in Ateliergemeinschaft arbeitete. Nach seiner Verwicklung in einen Mordfall, musste er Venedig verlassen und flüchtet nach Split. Nachdem sein Onkel die Affäre bereinigt hatte, kehrte er nach Italien zurück und besuchte Florenz und Mailand, wo er mit Alessandro Magnasco in Berührung kam. Er wurde wieder Mitarbeiter des Onkels, für dessen Figurenbilder er Landschaften malte, während dieser mitunter Figuren in Marco Riccis Landschaften setzte. Von 1708 bis 1716 arbeiteten beide Maler in London, wo Marco unter anderem auch Bühnenbilder entwarf. Auf der Rückreise nach Italien über die Niederlande nutzte Marco die Gelegenheit, sich mit dem dortigen Kunstbetrieb vertraut zu machen. 1724 ist er in Turin nachzuweisen, danach wohnte und arbeitete wieder bei Sebastiano in Venedig.[1]

Die vorgestellte Winterlandschaft würde man nicht sofort mit Marco Ricci in Verbindung bringen, obwohl das Thema in seinem Werk nicht singulär ist. Auch wenn die Darstellung winterlicher Landschaften in Italien selten ist, kennt man solche Landschaften von Francesco Guardi, Domenico Tiepolo und Giuseppe Bison und natürlich von dem auf Winterlandschaften spezialisierten Francesco Foschi (1710-1780).

Vorliegende Winterlandschaft Marco Riccis, sicherlich zu seinem Lebensende hin entstanden, summiert seine mannigfaltigen künstlerischen Reise Erfahrungen, besonders jene seiner Reise durch die Niederlande. Er war aber wohl auch mit den Arbeiten flämischer und niederländischer Maler in Venedig vertraut.[2]

Die heroische Landschaftsauffassung findet sich bei Pieter Mulier d. Jüngeren, genannt Cavalier Tempesta, die lebhaften Licht und Schattenwirkungen bei Salvator Rosa, der Pinselduktus bei Alessandro Magnasco. Den dramatischen Baumschlag kennt man aus Landschaften des Alexander Keirinx (1600-1652), die Schlittschuhläufer im Bildmittelgrund von Hendrick Avercamp und die Gewitterstimmungen erinnern an Jacob van Ruisdael.

Von einem leicht erhöhten Standpunkt blickt der Betrachter auf eine winterliche Flusslandschaft. Zwei kahle, verschneite Baumgruppen begrenzen beidseitig den Bildraum. Wachtürme und Gehöfte, die auf eine norditalienische Gegend verweisen, säumen das Ufer. Im Mittelgrund, erhöht auf einem Fels, liegt eine Burgruine, in der Ferne sind schneebedeckte Berge zu sehen. Im Vordergrund, wie so oft bei Ricci markant in rot gekleidet, wandelt eine Frau, ein Kind am Arm, in Rückenansicht dargestellt. Wie die entgegenkommenden Frauen versucht sie, dem aufziehenden Unwetter zu entgehen. Die Kinder auf dem Eis haben die herannahende Gefahr noch nicht bemerkt.

Die malerische Inszenierung dieser Szene erzeugt bei aller Naturbeobachtung eine fast unrealistische Dramatik, die man in der venezianischen Malerei des frühen 18. Jahrhundert nicht nur bei Ricci findet.

Ricci_Windsor_Castle

Abb. 1 Winterlandschaft, um 1720

Kompositorisch und atmosphärisch ist unsere Winterlandschaft eng mit Riccis Winterlandschaft in der Royal Collection in Windsor Castle (Abb. 1)[3] vergleichbar.


[1] Zur Biographie siehe: Annalisa Scarpa Sonino, Marco Ricci, Milano 1991.

[2] Vgl. Bernard Aikema, Bram de Klerck, ‘Marco Ricci e l’arte olandese del Seicento’, in Dario Succi, Annalia Delneri (Hgg.), Marco Ricci e il paesaggio veneto del Settecento, Kat. Ausst., Belluno, Palazzo della Crepadona, Milano 1993, S. 73-4.

[3] Winterlandschaft, um 1720, Tempera auf Leder, 31,7 x 46,3 cm, Royal Collection, Windsor Castle.

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