Jakob Philipp Hackert

Jakob Philipp Hackert
(Prenzlau 1737 - 1807 San Piero di Careggi, Florenz)

Ochse in einer Landschaft

Öl auf Kupfer, 29,5 x 38,5 cm

Provenienz:
Bo Wildenstam, Stockholm 1971 (Etikett verso);
Skandinavischer Privatbesitz;
Privatbesitz, New York.

Kurzfassung eines von Frau Dr. Claudia Nordhoff, Rom, verfassten Textes vom 4.2.2013, für den wir ihr herzlich danken.

 

Der Landschaftsmaler Jakob Philipp Hackert[1] war nach achtzehn Jahren als freischaffender Künstler in Rom einem Ruf des Bourbonenkönigs Ferdinand IV. von Neapel gefolgt, der ihn seit 1786 als ersten Hofmaler beschäftigte. In dieser finanziell hoch dotierten sowie äußerst ehrenvollen Stellung gedachte Hackert sein Leben zu vollenden, doch die französische Besetzung Neapels 1799 zwang den Maler zur Flucht. Hackert ließ sich in Florenz nieder und begann mit der für ihn typischen Disziplin und Zielstrebigkeit, sein Leben wieder aufzubauen.

Erst in der Abgeschiedenheit seines toskanischen Alterssitzes, frei von den Zwängen des Hofes und Herr seiner eigenen Zeit, konnte Hackert sich dem Tierportrait auf eine neue Weise widmen. Ausschlaggebend war die Bekanntschaft mit der Gattin eines englischen Colonels, Mrs. Woodburn, die er wahrscheinlich 1800 in Florenz kennengelernt hatte, und mit der ihn bald eine enge Freundschaft verband. Die Woodburns besaßen ein Landgut in dem nahe Florenz gelegenen, kleinen Ort Settignano, welches sie dem Künstler während ihrer Abwesenheit zur Verfügung stellten. Hackert schrieb am 9. Januar 1802 aus Florenz an seinen alten Bekannten, den Baron Balthasar von Haus in Wien: Bis d. 20 Novbr war ich hir vier Meilen von Florentz auf den Lande, Eine Englische Dame die Meine Freundin ist, hat mir Wärend daß sie in England ist, den Genuß des Hauses mit alle Bequemlichkeit gelaßen, wo ich Viel bin, Thiere und Andre Sachen Völlig nach die Natur fertig mahle, den Meine Studien werden jetz fertige Gemahlde.[2]

Eine Gruppe von kleinen hochformatigen „Kuh-Portraits“, eines 1804 datiert, entstand in jenen Florentiner Jahren. Meist sind sie mit einem Ausblick in eine weite Landschaft versehen, die in überraschendem Gegensatz zu dem engen Bildraum des Vordergrundes steht.[3]

Abb. 1 Jakob Philipp Hackert, Kuh mit Kälbchen

Das vorliegende Gemälde, einen weißes Ochsen mit dem Kopf nach links vorstellend, gehört ebenfalls in diese Werkgruppe. Erneut wird dem Betrachter deutlich die Individualität des Tieres vor Augen geführt, das in allen Einzelheiten sorgfältig wiedergegeben ist. Dem Bild lässt sich vergleichend ein in Wuppertal aufbewahrtes, signiertes, doch undatiertes Portrait einer Kuh mit Kälbchen zur Seite stellen, ebenfalls im Breitformat (Abb. 1).[4] Hier wie dort stehen die Tiere vor einem nur im Ausschnitt gegebenen Baumstamm, während im Hintergrund über Hügelkuppen der Himmel aufscheint. Es ist anzunehmen, dass die beiden Bilder in zeitlicher Nähe zueinander ausgeführt wurden; vielleicht waren sie sogar als Pendants gedacht, in denen der Maler den Ochsen, die Kuh und das Kälbchen gleichsam als „Familie“ präsentierte.

Innerhalb jener Gruppe der nach 1800 entstandenen „Kuh-Portraits“, zeichnet sich das vorliegende Gemälde durch eine gesteigerte malerische Qualität und eine meisterhafte Farbgebung aus. Das hellgrüne, dicht wachsende Gras unter den Hufen des Ochsen präsentiert den weißen, wie von innen heraus leuchtenden Tierkörper, dessen Schwere in beinahe fühlbarem Kontrast zu den zierlichen, von der Sonne vergoldeten Grashalmen oder den Blättern der Büsche im Mittelgrund steht. Links der Büsche präsentiert der Maler in zartem Grün, Blau und Grau die weite Ferne der Ebene und der Berge, auf deren Höhe man eine Architektur (vielleicht ein Kastell) erblickt: Auf kleinem Format gelingt es dem Künstler, das Allernächste mit dem Entferntesten zu vereinen und in Harmonie zu bringen und so eine grenzenlose Natur zu implizieren, in der sämtliche seiner in Bildern vorgestellten Tiere, seien es Kühe, Ziegen, Esel oder selbst Hasen, Platz finden würden.

Die Qualität des vorliegenden Bildes lässt verständlich werden, warum Hackert mit diesem von ihm nach 1800 lancierten Typ des Tierportraits so erfolgreich war; tatsächlich verkaufte er Bilder dieser Art u. a. an den spanischen Premierminister Don Manuel de Godoy (1767-1851)[5] und an Heinrich XLIII. Graf von Reuß-Schleiz-Köstritz (1752-1814).[6]


[1] Literatur zu Hackert allgemein: Claudia Nordhoff/Hans Reimer, Jakob Philipp Hackert 1737-1807. Verzeichnis seiner Werke, 2 Bände, Berlin 1994. Thomas Weidner, Jakob Philipp Hackert: Landschaftsmaler im 18. Jahrhundert, Berlin 1998. Cesare de Seta/Claudia Nordhoff, Hackert, Neapel 2005. Cesare de Seta (Hg.), Jakob Philipp Hackert, la linea analitica della pittura di paesaggio in Europa, Kat. Ausst., Caserta, Palazzo Reale, 2007-8. Andreas Stolzenburg (Hg.), Jakob Philipp Hackert, Europas Landschaftsmaler der Goethezeit, Kat. Ausst., Weimar, Neues Museum/Hamburg, Kunsthalle, 2008. Claudia Nordhoff (Hrsg.), Jakob Philipp Hackert, Briefe (1761-1806), Göttingen 2012.

[2] Brief in Frankfurt am Main, Archiv des Freien Deutschen Hochstifts, Goethe-Museum. Zitiert bei Nordhoff 2012, op. cit., S. 100. Zu dem Ehepaar Woodburn siehe John Ingamells, A Dictionary of British and Irish Travellers in Italy 1701-1800. Comp. from the Brinsley Ford Archive. New Haven/London 1997, S. 1017 sowie Nordhoff 2012, op. cit., S. 612-613.

[3] Nordhoff/Reimer 1994, op. cit., II, Kat.-Nr. 322; Kat.-Nr. 477.

[4] Jakob Philipp Hackert, Kuh mit Kälbchen, Öl auf Holz, 27,5 x 37,5 cm, bezeichnet Ph. Hackert pinx., Wuppertal, Von der Heydt-Museum, Inv. Nr. G 66. Dazu siehe Nordhoff/Reimer 1994, op. cit., II, Kat.-Nr. 478.

[5] Don Manuel de Godoy y Álvarez de Faria de los Ríos Sánchez Zarzosa, der Principe de la Paz, erwarb das Bildnis eines Hasen; siehe Nordhoff 2012, op. cit., S. 614-615.

[6] Für den Grafen waren zwei Gemälde mit einzelnen Ziegen in einer Landschaft bestimmt, die Hackert in einem Brief an Johann Wolfgang von Goethe vom 13. September 1803 erwähnt; hier wird noch einmal ausdrücklich vermerkt, dass beyde Ziegen […] als Studien nach der Natur auf der stelle fertig gemahlet [sind], die Landschaft in mein Studium [Atelier]. Der Brief befindet sich in Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv. Zitiert bei Nordhoff 2012, op. cit., S. 199.

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