Franz Horny

Franz Horny
(Hof 1798 - 1824 Olevano)

Ansicht von Genazzano, 1822

Feder in Grau über Bleistift auf Velin, Tremonti Wasserzeichen, 182 x 124 mm

Provenienz:
Nachlass des Künstlers;
Carl Friedrich Freiherr von Rumohr (1785-1843), Dresden, Kopenhagen, Lübeck (Lugt 2160);
Joseph Meyer (1786-1856), Hildburghausen;
Prof. Friedrich Nicolaus Joseph Bornmüller (1862-1948), Weimar;
J. A. Stargardt, Marburg, Auktion 524, 28.10.1955, bei Los 421 („sechs Bll. sind lose“);
Ernst Jürgen Otto (1906-?), Berlin, Celle (Lugt 573 b);
Karl & Faber, München, Auktion 69, 27.4.1959, bei Los 514;
Erhard Göpel, München;
Barbara Göpel, München;
Privatsammlung, Deutschland.

Literatur:
Walther Scheidig, Franz Horny. 1798 Weimar-Olevano 1824, Berlin 1954, bei Nr. 234 Hinrich Sieveking, ‚Nachtrag zum Werkverzeichnis von Walther Scheidig 1954’, in:
Hanna Hohl, Hermann Mildenberger, Hinrich Sieveking, Franz Theobald Horny. Ein Romantiker im Lichte Italiens. Im Blickfeld der Goethezeit II, Kat. Ausst. Kunstsammlungen zu Weimar und Hamburger Kunsthalle, Berlin 1998, S. 169.

 

Für Franz Horny, diesem unvergleichlichen Talent, das die römische Kunstwelt in Erstaunen versetzte, war die Begegnung mit dem Kunsttheoretiker, Sammler und Mäzen Carl Friedrich von Rumohr im Mai 1815 ein schicksalhaftes Ereignis. Rumohr nahm den jungen Künstler, der in Weimar die von Goethes Berater Johann Heinrich Meyer geleitete Zeichen- und Malschule besuchte, 1816 mit nach Rom. Dort eröffnete er ihm den Zugang zum Doyen der Landschaftsmalerei, Joseph Anton Koch, und vermittelte ihn in das Atelier von Peter von Cornelius, neben Friedrich Overbeck Haupt der Nazarener, wo Horny mit stupenden Obst- und Pflanzenstudien auffiel. Nach Cornelius’ Rückkehr nach Deutschland 1818 betätigte sich Horny fast ausschließlich als Landschafter; im Sommer zuvor hatte er zusammen mit Rumohr erstmals Olevano besucht, jenen Sehnsuchtsort der Deutschen, der seit seiner Entdeckung durch Koch zu Beginn des 19. Jahrhunderts untrennbar mit der deutschen Kunstgeschichte verbunden ist. Im Sommer zog sich Horny in dieses pittoreske Felsennest zurück, um dort zu zeichnen und der sommerlichen Hitze in Rom zu entgehen - auch weil 1818 erstmals jene verhängnisvolle Lungenerkrankung offen zutage getreten war, der er nach langem Leiden bereits 1824 in Olevano erlegen war.

Horny und Rumohr hatten sich zwischenzeitlich auf Grund künstlerischer Differenzen auseinander gelebt; der sensible Horny litt unter diesem Bruch und zeigte sich deshalb seinem Mentor gegenüber weiterhin dankbar: Er vermachte Rumohr seine Skizzenbücher, den für seine künstlerische Entwicklung bedeutendsten Teil seiner Hinterlassenschaft. Sie stammen sämtlich aus den letzten drei Schaffensjahren des Künstlers; zwei von ihnen, die im Format übereinstimmen und sich thematisch ähneln, befinden sich heute in der Hamburger Kunsthalle und der Staatlichen Graphischen Sammlung München.1 Aus letzterem stammt unser links und unten leicht beschnittenes Blatt, das im Format mit dem Skizzenbuch übereinstimmt und dasselbe Tremonti Wasserzeichen der übrigen Blätter – die auf drei Hügeln sitzende Taube im Kreis – aufweist. Es wurde 1955 bei Stargardt in Marburg als eines von sechs losen Blättern zusammen mit dem Skizzenbuch versteigert, doch bereits vier Jahre später als Einzelblatt bei Karl & Faber in München angeboten. In beiden Skizzenbüchern, dem Hamburger und dem Münchner, die Horny hauptsächlich 1822 benutzte, dokumentierte er mit großer Empathie das Alltagsleben der einheimischen Bevölkerung in Olevano. Neben einigen Pflanzen- und Tierstudien liegt das Hauptgewicht beim Studium der Landbevölkerung – meist Frauen mit Kindern oder bei der Verrichtung häuslich-ländlicher Tätigkeiten – und der Stadt sowie ihrer hügeligen Umgebung, die von ungewöhnlichem landschaftlichen Reiz ist.

Olevano erschien ihm wie „ein wahres Zauberland”2; gleichsam als ein kleines Arkadien, das Horny unablässig zeichnend durchstreifte, um es immer wieder aus neuen Blickwinkeln und in unterschiedlichen Stimmungen zu erkunden und zu entdecken.

Er machte auch zahlreiche Wanderungen zu den Orten der unmittelbaren Umgebung, die wie Olevano selbst „ganz oben auf Felsen wie Schwalbennester [lagen], mit alten Schlössern und Burgen.“3 Zu ihnen gehörte der kleine, wenige Kilometer südwestlich gelegene Flecken Genazzano, jene kleine Stadt mittelalterlichen Ursprungs, die sich auf einem schmalen, in einem flachen Tal ansteigenden Tuffstein-Felsmassiv von Süden nach Norden erstreckt, beherrscht von dem mächtigen Renaissance-Palast der alten römischen Adelsfamilie Colonna. Hornys Ansicht zeigt, wie sich dem von Süden aus dem Tal des Saccoflusses Kommenden dieser Palast zur Stadt in einer leichten, doppelstöckigen Arkatur öffnet, während massige, den Hof an drei Seiten umschließende Eckbauten den kastellartigen Charakter des Palastes betonen. Links daneben überragt der spitze Turm der Wallfahrtskirche Santa Maria del Buon Consiglio die Stadt, während unterhalb zwischen den Dächern der romanische Glockenturm von San Paolo sichtbar ist. Horny schildert dieses an den Hang geschmiegte „Nest“ ineinander verschachtelter, sich überschneidender Häuser und Dächer als homogene Einheit von kubischer Geschlossenheit und dichter Präsenz. Unwillkürlich fühlt man sich an die eindrückliche Schilderung der engen Gassen Olevanos erinnert, die Horny seiner Mutter gab: „[…] und das Sonderbare des Ortes selbst, das gibt schon so etwas für die Phantasie; denken Sie sich, im ganzen Ort keine gerade Straße, alles ist auf Felsen gebauet, und lauter Treppen sind die sonderbar phantastischen Straßen, und nun nach allen Seiten Blicke in ein wahres Paradies von Gegend.“4

Genau in der Wiedergabe der Topographie, präzise und sorgfältig im Strich der grauen Feder, bezeugt das Blatt Hornys Begabung für das Zeichnen von Architektur, die dessen Förderer Rumohr schon früh erkannt hatte.5 In der Darstellung der Architektur ist Hornys Bestreben spürbar, „die Natur mit Strenge und plastischem Sinne aufzufassen, wie das die Maler des 15. Jahrhunderts getan haben.“6 Einfache, doch eigenwillig gesetzte Parallelschraffen beleben das Bild, beschreiben im Spiel von Licht und Schatten Volumen und Körper der Bauten. Das kleine Skizzenbuchblatt offenbart dabei charakteristische Züge von Hornys stilisierender Handschrift: Das Blatt ist erfüllt von dem sanft schwingenden Rhythmus seiner feinen Feder, die er in seinen Skizzenbüchern häufig gern mit einer flüchtigen Bleistiftvorzeichnung kombiniert wie sie der untere Teil zeigt. Himmel und Erde sind kunstvoll miteinander verwoben; fließende Linienzüge beschreiben gleichermaßen Wolken, Baumkronen und Gebirgszüge, in denen Horny zu der für ihn typischen Abstraktion und Stilisierung neigt, die Ausdruck seines unmittelbaren, subjektiven Erlebnisses der Natur sind.

Die hügelabwärts gerichtete, dem weitläufigen Saccotal zugewandte Stadt ist eingebettet in die sanften Hügel der umgebenden Prenestinischen Berge, die im Hintergrund die Stadt umschließen. Im Vordergrund hat Horny die Ebene ausgebreitet, dabei im vorderen Bereich Landschaftsdetails nur in Bleistift ausgeführt. Das Nebeneinander von Feder und Bleistift macht das Blatt besonders reizvoll; es steht für jene unmittelbare, nicht immer final zu Ende geführte, skizzenhafte Naturbeobachtung, die charakteristisch für die Generation der um 1820 und danach tätigen Künstler ist. Erdabbrüche und verschiedene Gräser dominieren hier, doch trotz des Eindrucks des „Unvollendeten“ ist Hornys Landschaft in klassischer Manier durchkomponiert: Die klare Abfolge der Landschaftsgründe erinnert an Landschaften Kochs und die dünnen, hochgewachsenen Bäume führen als Repoussoirs ins Bild ein; sie umspannen in einem großen Bogen mit ihren freischwingenden Baumkronen die Stadt, geben gleichsam den Blick auf sie frei.

Von Horny sind weitere Ansichten aus Genazzano überliefert: Auf einem Blatt im Hamburger Skizzenbuch widmet sich Horny detailreich einer romanischen Palastfassade, hinter der seitlich der Turm von San Paolo sichtbar wird.7 Es ist eine der wenigen reinen Architekturzeichnungen Hornys; ein anderes Blatt, das sich in Münchner Privatbesitz befindet, zeigt den Blick auf die Stadt von der anderen Seite: Von einer Ebene mit hohen Bäumen fällt der Blick über die gewaltigen, steilen Substruktionen des Palazzo Colonna auf die nach Norden abfallende Stadt, in der der freistehende Turm von Santa Maria del Buon Consiglio emporragt.8

       Text von Dr. Peter Prange, München

 

 


1 Nach Scheidig 1954, Nr. 233 und Nr. 234, befanden sich ehemals im Besitz von Rumohr das Münchner und Hamburger Skizzenbuch, die identisch sind mit zwei in Rumohrs Nachlass aufgeführten Skizzenbüchern mit jeweils 123 Blatt Umfang, jedoch ohne die Nennung Hornys, vgl. Die Kunstsammlung des Freiherrn C. F. L. F. von Rumohr, […], beschreibend dargestellt von J. G. A. Frenzel, […], Lübeck 1846, S. 429, Nr. 4305 und 4306.

2 Ernst Ludwig Schellenberg: Der Maler Franz Horny. Briefe und Zeugnisse, Berlin-Lichterfelde 1925, S. 69.

3 Schellenberg 1925, S. 101.

4 Schellenberg 1925, S. 103.

5 Carl Friedrich von Rumohr: Drey Reisen nach Italien, Leipzig 1832, S. 205.

6 Schellenberg 1925, S. 101.

7 Palazzo und Kirche in Genazzano, Bleistift, 184 x 125 mm, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 1959/52.

8 Ansicht von Genazzano, Feder in Grau über Spuren von Bleistift, 263 x 204 mm, Privatbesitz, vgl. Spurenlese. Zeichnungen und Aquarelle aus drei Jahrhunderten, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle und Fondation Custodia, Paris, hrsg. von Peter Prange/Andreas Stolzenburg, München 2016, S. 194, Nr. 76, Abb.

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