Stefan Johansson

Stefan Johansson
(Vist, Östergötland 1876 - 1955 Karlstad)

”Min mor”, 1914

Aquarell auf Holz, 19.8 x 13.5 cm
Signiert und datiert unten links Stefan 14.

Provenance:
1916 Bildhauer Erik Rafael-Rådberg (1881-1961), Stockholm;
Private collection, Värmland.

Exhibition:
Das Porträt könnte in der schwedischen Kunstausstellung in Charlottenburg, Kopenhagen, ausgestellt gewesen sein. Leider fehlt genauer Katalogauskunft über die Teilnahme Stefan Johanssons in der Ausstellung.

Literature:
Folke Holmér, En bok om Stefan Johansson, Stockholm 1958, ill. p. 35.

Wir danken dem Experten für Stefan Johansson, Dr. Stefan Hammenbeck, für wichtige Informationen und für die Bestätigung der Authentizität des vorliegenden Werks.

 

 

Obwohl Stefan Johanssons[1] Werk einigermaßen singulär ist, steht es, denkt man an Eugène Janssons, den frühen Edvard Munch oder Vilhelm Hammershøi, mit der zeitgleichen skandinavischen Malerei in einem Kontext. Johansson teilt mit diesen Malern die Introversion, mit Hammershøi darüber hinaus die meditative Beschäftigung mit ständig wiederkehrenden Motiven die dem direkten Umfeld entnommen sind.

In Johanssons Kunst offenbart sich seine Spiritualität. Kandinskys „Über das geistige in der Kunst” und Okakura Kakuzos „Die Ideale des Ostens” waren für seine künstlerische Entwicklung entscheidende Werke. Als er 1956 starb, lagen Kakuzos’ Buch und die Bibel auf seinem Tisch.

Schon die zeitgenössische Kunstkritik hat Johansson mit seinem dänischen Zeitgenossen Vilhelm Hammershoi verglichen. Die Spiritualität, die meditative Wiederholung der immer gleichen Motive, die ausgeklügelte Maltechnik, legen dies auch aus heutiger Sicht nahe. Neben der Malerei beschäftigte er sich auch mit Philosophie und Dichtkunst. Manche seiner Gedichte nehmen die melancholische Stimmung seiner Malerei auf.

Neben den berühmten Landschaftsdarstellungen umfasst das Œuvre Stefan Johanssons auch eine Reihe hervorragender Porträts, namentlich Mädchen und Frauen, seltener Männer, meist befreundete Künstler oder Persönlichkeiten des kulturellen Lebens. Sie sind von einem Realismus geprägt, der in der schwedischen Kunst beispiellos ist. Die frühere Kunstgeschichte hat versucht für Johanssons Realismus Vorbilder in der Renaissance zu finden. Gewiss war er von der italienischen Renaissance, die er auf mehreren Reisen studierte, tief beeindruckt. Sein Realismus geht aber wohl doch von der Beobachtung seiner Lebenswelt aus, wenngleich er mit der Stockholmer Künstlergruppe Konstnärsförbundet ebenso vertraut war wie mit expressionistischen Strömungen der Zeit, oder auch den Werken van Goghs, die ihm spätestens seit 1898 vertraut waren. Den akademischen Idealismus lehnte er konsequent ab. Sein Studium an der Stockholmer Kunstakademie von 1898 bis 1902 verschwieg er gerne. Wichtig waren ihm dagegen seine Studienreisen nach Italien 1909-1910 und 1913 und nach Köln 1912. Seine realistische Malerei könnte man ihn im Vorlauf zur Neuen Sachlichkeit sehen.

Die etwa zwanzig Porträts, die der Künstler über die Jahre von seiner Mutter Maria Johansson (1839-1924) fertigte, sind absolut singulär. Leider fielen wenigstens fünf einem Atelierbrand im Jahr 1913 zum Opfer. Die Lehrerin Maria Johansson, die Mutter von Seth (geb 1873) und Stefan (geb 1876), wurde in den 1890-iger Jahren pensioniert. Nach Aussagen der Zeitgenossen war sie streng aber gerecht und bei Schülerinnen und Schülern beliebt. In den frühesten Porträts begegnen wir einer aktiven Frau, die sich im Haushalt beschäftigt oder liest. Stefan Johansson experimentiert mit unterschiedlichen Bildausschnitten, um sich schließlich für einen engen Ausschnitt im Profil oder en face zu entscheiden. Jahre nach dem Tod der Mutter, berichtete Stefan Johansson in einem Interview von der Intensität der Beziehung zu der Mutter, die in Fragen der Kunst ein wichtiger Gesprächspartner war und deren charakterliche Eigenschaften er in seinen Porträts zum Ausdruck bringen wollte. Eine langjährige Korrespondenz dokumentiert diese professionelle Beziehung zwischen Künstler und Modell.

Das vorgestellte Porträt „Min mor“ aus dem Jahre 1914 zeigt die vitale ältere Frau in ihrem 75. Lebensjahr. Mit Mittelscheitel, das sich an den Ohren und im Nacken lockende dünne Haar, über ihre Schultern eine Schal und an der Bluse ein schlichter Halsschmuck, wahrscheinlich aus Steinkohle. Der Fokus liegt auf den Augen, die durch die Brille die reale Welt beobachten, so wie der Sohn seine Mutter beobachtet.

Stefan Johansson trennte sich nur sehr ungern von den Porträts seiner Mutter und versuchte schon früh, diese in schwedischen Museen unterzubringen. Jene Portraits die sich 1956 in seinem Nachlass fanden, kamen auf seinen Wunsch hin in den Museen von Karlstad, Linköping und dem Nationalmuseum in Stockholm unter.


  1. Zu Johansson siehe Stefan Hammenbeck, Stefan Johansson. 1876-1955, Karlstad 2007.

 

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